REISEBERICHT TEIL 2
Hier Text eingeben ...Guatemala (Juni 99)
Guatemala empfing mich mit einer unglaublich rauen Schotterpiste, die mich von Technica bis Bethel kräftig durchrüttelte. So kräftig, dass dann in Bethel den schmerzhaften Verlust meiner guten Luftpumpe und Mütze feststellte. Daraufhin radelte ich den Weg nochmal suchend zurück. Erfolglos.. Mit einem Platten wäre ich in der trostlosen Gegend aufgeschmissen gewesen. So radelte ich daumendrückend weiter und kaufte im nächsten Dorf eine der einzig vorhandenen schlechten Plastikpumpen (Made in Germany!) die kaum funktionieren. Ein Bild fataler Brandrodung fand ich nahezu den ganzen Weg entlang durch Guatemalas Dschungel und wo einst saftiger Urwald stand, erinnern nur noch verbrannte Baumstümpfe an die ehemalige Landschaft (was schon in Chiapas begann). Ich radelte an vielen Bränden vorbei und sah oftmals dicke Rauchschwaden am Himmel. Nun wachsen auf den kargen Böden verkümmerte, halbvertrocknete Maispflanzen und nach kurzer Zeit sind die "Felder" ausgelaugt, der Boden erodiert und die Natur zerstört. Dann ziehen die Bauern weiter in den (falls überhaupt noch vorhandenen) Dschungel hinein, um neues Land für Maisplantagen abzufackeln. Ein trauriges Bild eines Landes in bitterer Not, von deren Bevölkerung 75 % unter der offiziellen Armutsgrenze leben. Diese haben natürlich kein Verständnis für Begriffe wie Umweltschutz, grüne Lunge und langfristige Landwirtschaft - für sie zählt das momentane Überleben und da muss der Urwald eben zurückstecken. Gar nicht daran zu denken wie viele Kleinlebewesen bei jedem Brand ausgerottet werden. Mais ist eben DAS Nahrungsmittel in Guatemala. Eine ungerechte Verteilung des Grundes macht ein paar wenige Großgrundbesitzer zu reichen Leuten und drängt tausende Kleinbauern in die Armut, die auf den Finkas als billige Kaffeepflücker enden (Lohn: keine 2$ pro Tag).
Von einem kleinen Dschungelberg hörte ich ein unheimliches, markdurchdringendes und lautes Geschrei, welches mich an die alten Godzilla Filme erinnerte. Oder aztekische Menschenopfer? Als ich einen Bauer am Weg fragte meinte dieser, dass dies Monos (Affen) seien die diesen Höllenenlärm machen .... - und ich dachte schon an meterhohe Monster. Wenigstens kann ich mir nun vorstellen, was ein Brüllaffe ist.
In einem Minidorf bekam ich wieder das Angebot in einer kleinen Schule zu schlafen und erklärte den "Gringo-Gringo" schreienden Kindern, dass ich gar keiner sei sondern aus "Alemania" käme. Hätten sie noch nie davon gehört. Europa meinte ich. Keine Ahnung was das sein meinten sie. Genauso wenig die Erwachsenen. Wo sie sich denn eigentlich hier befinden fragte ich. Guatemala. Na, das war ja schon mal ein Anfang. Allerdings wussten sie dann doch nicht, ob ihr Land nun zu Nord, Zental oder Südamerika gehöre. Deshalb beschloss ich einen kleinen Extraunterricht einzulegen und bestellte die Kinder für den nächsten Tag. Obwohl an Samstagen normalerweise keine Schule ist, erschien doch die ganze Klasse um meinen Erklärungen anhand meiner Weltkarte zu folgen.
Nachdem ich die aufmerksamen Kleinen etwas Erdkunde gelehrt hatte gab ich noch einen kleinen Grundkurs in Englisch dazu, um ihnen auch etwas Brauchbares mitzugeben. Dann machte ich mich wieder vom Acker bzw. auf den Acker, da man den rauhen Feldweg nicht gerade als Strasse bezeichnen konnte und schaffte es (völlig eingestaubt) bis nach Flores. Dort traf ich auf Cesar, ein Touristenführer mit Deutschkentnissen, der mit seiner Deutschen Frau Olga hier sprichwörtlich abgestiegen war. Er lud mich ein in seinem "Haus" zu übernachten und ich verbrachte eine unglaublich hässliche Nacht mit zwei Vollalkoholikern in ihrem Wohnloch, wo die Ratten auf dem Boden tanzten (weil es nicht mal einen Tisch gab) und ich deshalb kein Auge zutat. Olga war ein spargeldürres Frauchen, was aber nichts mit Magersucht sondern Alkohol zu tun hatte. Besonders auffallend waren ihre eingefallenen Wangen und diese riesige Brille, die weit über ihr Gesicht reichte. Irgendwie erinnerte sie mich ein kleinwenig an Helga Fedderson. Ich bereute es zunächst mitgegangen zu sein, fand es danach aber interessant auch mal einen anderen Lebensaspekt kennengelernt zu haben und mit jemandem von "ganz unten" zu sprechen. Jeder Quetzal (so heisst hier die Landeswährung - ebenso wie der zur Mayazeit göttliche geltende und bezaubernd schöne Vogel des Nebelwaldes) wird sofort in Schnaps angelegt und dies sah (und roch) man den beiden auch an. Das Haus war eine Abrissbude (und das will was heissen in Guatemala !) ohne jegliche Einrichtung. Ein Freund der beiden, ein dicker gutmütiger alter Alki aus Russland, schlieff in einer Ecke auf etwas Zeitungspapier. Die beiden anderen auf einer Tür, die sie auf Steine gestellt hatten. Keine Zimmer, keine Toilette oder sonst sanitäres, keine Küche - einfach nur blanker Lehmboden. Und ich bin nicht ins luxuriöse Hotel, weil ich mir die läpprigen 3 Dollar sparen wollte.
So düste ich flugs weiter bis nach Tikal, wo ich mir die nächste Portion Mayageschichte verpasste und im Gegensatz zu Mexiko auch am Sonntag Eintritt zahlen musste. Die Ruinenanlage ist mit eine der größten, bekanntesten und besterhaltenen des Kontinents. Als ich wieder abreisen wollte kam ein Kamerateam aus LA auf mich zu, um mich für das Latin TV aufzunehmen. Die Nacht verbrachte ich in dem Nationalpark Tikal mitten im Dschungel und konnte einige Affen in den Bäumen hangelnd beobachten, die ein regelrechtes Affengeschrei machten. So langsam kam ich auch in das Gebiet von Malaria und Dengue, wobei ich fragend auf meine zerstochenen Beine blickte. Auf dem Rückweg hielt ich am See von Petén Itzá, wo ich für ein drei Tage in der künstlerisch tollen Anlage "El Remate" von dem freakigen "Mirador del Duende" zeltete ( empfehlenswert) und täglich Reisende aus aller Welt eintrafen. Er hatte nette kleine Hütten und einen gespenstischen Ofen mit vielen Gesichtern aus Kalk geschaffen, was dem Ambiente zu einen gewissen Reiz verhalf. Einzig der Haus-Affe Micaela war eine große Gefahr für alles Essbare und räuberte blitzartig, was nicht unter ständiger Beobachtung stand. Das Wildschwein Eros hingegen war lammfromm, streichelzahm und verschlang genussvoll grunzend alle Hausabfälle. Witzig war auch das Geräusch pünktlich um10 Uhr jeden Abend, als die kleinen Läden unten entlang der Straße geschlossen wurden - mit Hammer und Nägeln....
Ich setzte die Fahrt über abwechselnd Lehm, Schotter und Teerpisten fort und kam an vielen der typischen Strohhütten vorbei. Manche sehen wirklich verlassen und trostlos aus und doch wohnen (oder besser hausen?) Menschen darin. Wasser gab es nur aus Tanks, in denen der Regen gestaut wurde. Die Kinder spielten zusammen mit den Tieren im Matsch und sahen genauso braun aus wie die kleinen freilaufenden Ferkel. Kurz nach Poptun zeltete ich in einer abgelegenen Seitenstrasse vor einem brandgerodeten Feld und wurde erneut beräubert. Diesmal musste meine alte Teflonbratpfanne daran glauben und ich hatte glücklicherweise alles andere im Zelt verstaut. Wie konnte ich auch ahnen, dass jemand Interesse an einer alten, schwarzverkrusteten Pfanne hat - die für mich allerdings ein wichtiges Teil war (und ich bis Costa Rica keinen Ersatz fand). Meine Bayernflagge war ebenfalls weg und irgendwie nimmt mein Gepäck auch ohne Auszusortieren ab. Leider. Ein Bauer kam des Weges und sagte mir, dass ich Glück gehabt hätte nicht richtig überfallen geworden zu sein, da es hier genügend Verbrecher, Banden und Diebe gäbe. So langsam schenkte ich dem zahlreichen Warnungen doch ein wenig Aufmerksamkeit und ein paar Kurven später hörte ich zwei Schüsse. Ich näherte mich einer Gruppe und erkannte zwei Polizisten, die gerade fünf Typen aus dem Gestrüpp führte.
So ziemlich alle Einheimischen die ich traf hatten eine Waffe im Auto und überall finden sich bewaffnete Aufpasser an Läden, Banken und Tankstellen. Ich verbrachte deshalb die nächsten Nächte auf Grundstücken von Leuten und erreichte den Rio Dulce, wo ich mich in der bräunlichen Brühe badete. Ich zeltete hinter einem Lebensmittelladen und der Besitzer zeigte mir stolz seinen Garten mit den großen Pflanzen - lag wohl an dem guten Dünger den er benutzte: unzählige verrottende Batterien, Plastikmüll, Dosen, .....Mahlzeit!!. An der Kreuzung in La Ruidosa traf ich auf Henry, der für die Umweltschutzorganisation Recosmo hier arbeitet und mir anbot, in seinem Haus in Puerto Barrios zu verweilen und den Computer zu nutzen. Es geht eben im Leben wie mit dem Radfahren - einmal gehts berab und dann wieder bergauf. Puerto Barrios ist der "Bananenhafen" Guatemalas mit reichlich Militär, Kochfeuern an vielen Ecken und Leuten, die einem alles mögliche verkaufen wollen und viel zu vielen Fliegen auf den in der Sonne liegenden Fleischwaren der Metzger. Dies ist auch wieder eine neue Küste für mich, da ich bisher noch nie in der Karibik war. Mein Kilometerzähler stand dort auf 14.500 Kilometern. Von dort radelte ich weiter nach Honduras, wo der Hurricane Mitch eine Katastrophe verursachte und ich Besuch aus der Heimat erwartete.
Honduras (Juni - Juli 99)
Auf dem Weg nach Honduras radelte ich in Richtung Grenze für viele Kilometer an gigantischen Bananenplantagen entlang. Dort stoppte ich an einer Bananenfarm, wo die grünen Früchte sortiert, gewaschen, gespritzt, verpackt und mit Kühlfrachtern zum Hafen gekarrt werden. Die Chiquita Bananen werden sogar nach Länge und Breite vermessen, wobei nur die beste Qualität verwendet wird. Nebenbei erwähnt - Bananen werden immer grün geerntet, nicht nur für den Export!
In keinem der kleinen Lebensmittelläden konnte ich Bananen kaufen und man hatte mich auf die Felder verwiesen, wo reife Bananen als Abfallprodukt am Boden vergammeln. Irgendwie fand ich aber keine einzige und an der Bananenfarm bekam ich eine halbe Staude meiner reifen Lieblinge geschenkt, die ich mir an die Seite des Rades band. So musste ich mich für die nächsten drei Tage nicht um Essen sorgen. Mein tägliches Frühstück z.B. ist meist Haferflocken mit Milch, Zimt und Banane. Gleich nach der Grenze begannen die Straßenverhältnisse sich drastisch zu verändern. Vom Hurrikan Mitch davongeschwemmte Brücken ließen mich mehrere Flüsse durchqueren und ich war froh um meine wasserdichten Taschen, die manchmal völlig untertauchten. Dass es keine geteerte Straße gab ist wohl nicht nötig zu erwähnen.
In einem Mini-Dorf sah ich das Schild "Dentallabor" und besuchte den Kollegen. Tja, was soll ich sagen - Hygiene gleich null, Technik aus der Steinzeit und Materialien die keiner im Mund will. Nach einer schönen Fahrt über grüne Hügellandschaften erreichte ich die kleine Küstenstadt Omoa, wo ich die guterhaltene Festung (Fortale za) der Spanier aus dem 15. Jahrhundert besichtigte. Tags drauf bekam ich bei der Einwanderungsbehörde (Migration) in Puerto Cortez meinen Stempel und strampelte auf der Autobahn nach San Pedro. Direkt neben der ganzen Autobahn stehen Häuser und Hütten und für die Leute ist es ganz normal mit dem Verkehr zu wohnen. Schnell radelte ich wieder aus der großen Stadt hinaus und fand eine kleine Finca, wo ich mich nach einem Zeltplatz erkundigte. Das ganze Gelände war eingezäunt und ein schwer bewaffneter Wächter sagte mir, dass es hier zu gefährlich sei um alleine zu zelten. Nach kurzem Plausch durfte ich auf dem bewachten Grund hinter dem sicheren Zaun campieren und hatte interessante Unterhaltung mit den auf der Zuckerrohr-Finca Columbia lebenden Familien.
Am nächsten Tag bekam ich während des Radelns ein komisches Seitenstechen und wurde in El Progresso von einem Typen angequatscht. Dieser rief gleich einen Freund an, der bei einem Radiosender arbeitet und ich wurde für ein Interview zum Sender eingeladen. Nach dem Interview begleitete mich mein Reporter noch per Rad an die Stadtgrenze. Während dieser kurzen Fahrt wurde das Seitenstechen immer stärker und wir kehrten zum Sender zurück, damit ich mich etwas hinlegen konnte. Aber es wurde immer schlimmer und ich konnte nur noch ganz flach hecheln, weshalb man mich letztendlich zu einem Arzt brachte. Die Praxis war sehr einfach und von einer normalen Hütte kaum zu unterscheiden. Aber der Doktor fand doch des Rätsels Lösung. "Desgarre Muscular" lautete die Diagnose - ich bekam eine Spritze, Tabletten und die Anweisung, sieben Tage zu ruhen. "Ja von wegen² brachte ich keuchend hervor - "ich muss in 5 Tagen auf der Insel Utila sein um Geburtstag zu feiern", hatte ich doch an all meine Freunde gemailt und diese dorthin bestellt. Aber da hatte ich mich doch etwas getäuscht. Es wurde immer schlimmer und ich konnte mich kaum noch bewegen, da jeder Atemzug sich wie spitze Messer in meinen Lungen anfühlte. Mein Lungenvolumen war dadurch sehr eingeschränkt, was eine sehr flache Atmung zur Folge hatte. Zwei schmerzvolle Horrornächte folgten, ich bekam täglich Spritzen und Tabletten (was auch immer für Zeug) und der Arzt behandelte mich sogar gratis!!! Mit so viel Freundlichkeit und Hilfe hatte ich nicht gerechnet. Ich malte mir aus, wie ich wohl (wie sonst üblich) in irgendeinem Wald im Zelt gelegen wäre.
Diese komischen Schmerzen wanderten innerhalb von 7 Tagen einmal von rechts angefangen um meinen ganzen Bauch und klangen ab, als die Startposition erneut erreicht war. Der Doc behielt also doch Recht.
Die Leute vom Radio Progresso waren sehr nett, hilfsbereit und boten mir an bei ihnen zu bleiben bis ich wieder gesund sei. Mauricio nahm mich mit zu sich nach Hause, wo ich mich auskurieren konnte. Wir liehen uns einige Filme von der Videothek aus und ich fand dort sogar die englische Version von ²Das Boot". Ich verbrachte auch viel Zeit im Radiosender selbst, wo ich mehrmals in der Sportsendung live interviewt wurde und konnte so den ganzen Vorgängen in einer Radiostation beiwohnen. Es machte viel Spaß, den Leuten über die Schulter zu schauen und ich hatte schnell viele Freunde gewonnen. So wurde ich auch dazu gezwungen, mir etwas Zeit zu nehmen und konnte so wieder mal schreiben, lesen und ruhen. Kässpätzle waren da natürlich auch obligatorisches muss. Die Verhältnisse allerdings in der Stadt waren katastrophal. Wasser gab es (wenn überhaupt) nur von 6 Uhr bis 8 Uhr in der Früh und dann nochmal am Abend von 19 bis 22 Uhr. Nach einem Gewitter blieben wir für zwei ganze Tage ohne Wasser und Strom, der sonst nur stundenweise ausfiel.
Die Strasse hatte mich schnell wieder und nach der Zeit im Haus nahm ich die saftgrüne Lanschaft wieder richtig wahr, saugte begierig Gerüche ein, radelte über kleine Hügel und verspeiste eine leckere Ananas (viel süsser als die Importierten in Deutschland). Vorbei an riesigen Palmenplantagen, aus deren Früchte in kleinen Fabriken Öl gewonnen wird, kam ich in Tela zurück an die Küste und kaufte mir an einem Strassenstand ²Pasteles², eine in Öl gebackene Teigtasche, welche mit Reis, Gemüse und einem Hauch von Fleisch gefüllt war. Kurz vor La Ceiba begannen ausgedehnte Ananasfelder neben denen ich zeltete. Tag und Nacht liefen dort Maschinen, welche die Felder spritzten, düngten und bewässerten. In La Ceiba musste ich auf die Fähre nach Utila warten und wollte mich so billig wie möglich einquartieren. Im Internetcafe fand ich eine Travelerzeitung mit Unterkünften samt Preisliste. Ich radelte an das billigste Hotel und fragte nach einem Zimmer. Daraufhin teilte man mir mit, dass die Räume nur stundenweise vermietet werden und ich zog enttäuscht zum nächsten. Das gleiche Spiel begann wieder am Hotel ²Royal² und man wollte mir kein Zimmer geben. Ich blieb aber hartnäckig und bekam Dank meiner guten Spanischkentnisse doch ein Zimmer für eine Nacht zum Stundenpreis (und stilecht superschlecht). So konnte ich aber einmal etwas Zeit ohne Rad genießen, verbrachte den Abend mit alten Freunden (die ich zufällig wieder traf) in einem Tanzlokal mit Live-Band und wir waren erstaunt, zu welchen kreisend rhythmischen Beckenbewegungen die Einheimischen der Karibikküste fähig waren. Nicht für eine Minute hätte ich so tanzen können. Dann endlich war es soweit - ich wuchtete mein Bike auf die überteuerte Fähre nach Utila, meiner ersten Karibikinsel, um dort die Ankunft meines alten Freundes Oli aus meiner Heimatstadt abzuwarten.
Im Gegensatz zum braunen, stinkenden Wasser des Hafens von La Ceiba, lockte das kristallklare Meer um die Insel zu einem (allerdings kaum erfrischenden) Bad. Ich war wieder auf ein Hotel angewiesen, welches ich aber günstigerweise mit zwei Rucksackreisenden teilen konnte. Utila's Leben besteht hauptsächlich aus Tauchen, Feiern und abermals Tauchen. Das auf einen Steg ins Meer gebaute Coco Loco wurde schnell mein Stamm-Lokal mit neuer Lieblingsmusik von Manu Chao. Die berühmt berüchtigten Sandfliegen verschonten mich allerdings, da meist ein laues Lüftchen wehte. Auf der sehr touristischen Insel wird im Gegensatz zum Festland Englisch gesprochen, welches aber in keiner Weise irgendetwas mit Oxford gemeinsam hat. Ein paar Kinder hatten von Steg aus einen Fisch gefangen, dessen Kopf sie mit einem Hammer beklopften. Der Haken steckte fest und als ich ihnen helfen wollte, biss mir der scheintote Needlefish so fest in den Finger, dass mir das Blut runterlief. Dafür wurde er dann aber auch gegessen...
Ein Wanderausflug zum Pumpkin Hill führte mich an die Höhlen, in denen früher der Seeräuber Kapt. Morgan hauste. Leider fand ich (abgesehen von Horden von Stechmücken) keinen Schatz, doch allemal waren die in Erdlöchern wohnenden blau schimmernden Krabben entlang des Weges eine Reise wert. Dann endlich kam Oli an (Wiedersehensfreude !!) und wir zogen ins Hotel Celena um, wo man ein einfaches Zimmer schon für 1.5 Dollar bekommt. Ich bekam eine ganze Ladung Ersatzteile, Schokolade und einen handhold PC Computer - nicht grösser als eine Videokassette. Leider funktionierte das Velo von Philips nicht und außer Problemen hatte es mir nichts gebracht. Letztendlich schickte ich den Apparat wieder heim und bekam glücklicherweise mein Geld zurückerstattet. Ich schenkte mir zu meinem Geburtstag einen 10´er Pack Tauchgänge und wir buchten in Alton´s Tauchshop, wo wir nach 5-jähriger Tauchpause wieder in die blaue Tiefe vordrangen. Die Höhepunkte waren grosse Rochen, eine Schildkröte und das Wrack - aber im Vergleich zu Thailands Tauchgründen war hier fast tote Hose.
Allerdings kann Utila mit seinen nahegelegenen einsamen Inselchen aufwarten, wo man sich mit einem Boot aussetzen lassen kann. Auf dem Eiland ²Water Cay" verbrachten wir mit 10 Freunden eine Nacht voller Spaß, Lagerfeuer, Cuba Libres und frischen Grillfischen (eine leckere Abwechslung zu den Baleadas). Stefan und Mike waren unsere bayerischen Inselfreunde geworden, die ich später in Costa Rica nochmal treffen durfte. Mike musste sich unbedingt piekende Stacheln eines Seeigels beim nächtlichen Nacktbaden verpassen, was ihm aber am nächsten Morgen den Gang eines lahmenden Esels einbrachte. (Aber die Mädels wollten ihn natürlich alle pflegen...). Wir konnten einen malerischen Blick auf die vielen kleinen Inseln geniessen und das Beste war eigentlich die Rückfahrt bei rauer See, die uns völlig durchnässte.
Ich hatte unglaublich starke Rückenschmerzen - ein altes Problem - und Jean Pierre von der Zanzibar konnte mir ein wenig Linderung mit seinen Massagen verschaffen. Ein netter Freak war der ²Transvestit² Jimmy, ein in Jeans gekleideter Kerl mit Dreitagebart, der sich eigentlich nur durch ein Tank-top, lackierten Fingernägeln und aufdringlichem Parfüm von ²anderen" unterschied. Er war mit Abstand die schlechteste Tunte, die sich weltweit in einem anderen Körper fühlt. Alles hat ein Ende - und so zogen wir wieder auf's Festland zurück um weiter mit dem Rad durch Zentralamerika zu düsen. Oli hatte auch sein Mountainbike mitgebracht um mich auf meiner Reise für zwei Monate zu begleiten.
Der erste Versuch auf der kleinen Schotterpiste durch das Tal des Rio Cangrejal nach Olanchito zu gelangen scheiterte, da die Straße sich irgendwann im Dschungel verlaufen soll. Dies jedenfalls wusste Hugo zu berichten, der hier am Fluss rasantes Rafting und Dschungeltouren anbietet und wir zufällig auf ihn stießen. Folge: vier Tage Camping in seinem Garten, wobei wir auch gleich einen Arbeitseinsatz zum Poolputzen wahrnahmen.
Das Überqueren des Rio´s wäre aber sicher ein Spaß geworden, da die große Brücke weiter oben von den unglaublichen Wassermassen des Hurrikan Mitch weggespült worden war. Die einzige Möglichkeit bot derzeit eine Seilbahnkonstruktion mit Korb, die das beeindruckende Bild der Brückenreste erheblich verstärkte.
Wir mussten somit wieder durch das schöne Tal zurück, um auf die große Straße zurückzukehren. In einem kleinen Städtchen kauften wir Lebensmittel und auf die Frage hin, wo wir denn übernachten wollen, wurden wir von Sulma mit zu ihrer Familie genommen. So erlebte Oli auch gleich einmal honduranische Gastfreundschaft und wir bekamen einen Raum in einer Lehmhütte zugewiesen. Die Grossmutter liess es sich nicht ausreden einmal mit der Giftspritze durchzuhuschen um alles Getier auszurotten. Naja, so giftig wird´s schon nicht gewesen sein und der Sprühnebel legte sich schließlich auch wieder....
Die Fahrt ging entlang kleiner Dörfer in warmfeuchter Landschaft durch grüne Natur mit vielen Palmen. An einem Haus hatte ein Mann gerade eine etwa 2,5 Meter lange Schlange erschlagen, die sich schmerzvoll im Todeskampf krümmte. Wir hielten an und ich fragte ihn weshalb er das arme Reptil töten will und warum er sie so leiden lässt. "Ja, ja, schau doch, die stirbt schon" erfreute er sich an den Todesqualen. Ob sie giftig sei fragte ich ihn. "Nein, aber sie frisst Hühner" antwortete er darauf. Aber so ein Huhn sei doch viel zu riesig bot ich ihm entgegen. "Junge Küken" erwiderte er daraufhin. Ob er denn Küken habe fragte ich letztendlich. "Nein"...
Wir kamen an mehreren vom Sturm verwüsteten Brücken vorbei und es war fast unglaublich, wie diese riesigen Betonbrocken so mit scheinbarer Leichtfertigkeit weggefegt worden waren. Was für eine Gewalt dieser Hurrikan hatte.
Dann erreichten wir die Abzweigung zu einer Schotterpiste, die durch einen Park führte. Nach einem morgentlichen Bad in einem Bach mitten im Dschungel begann einer der schönsten Strecken durch traumhafte Natur - nahezu unbewohnt und ohne Verkehr aber dafür mit großer Anstrengung verbunden. Der Weg war nicht in meiner Karte verzeichnet, sondern man hat uns diese Route ab Mamé empfohlen, wovon wir dann auch nicht enttäuscht wurden. Der kleine steile Berg machte uns in der Mittagshitze ohne Trinkwasser mächtig zu schaffen und wir waren froh um das kleine Bächlein an dessen Ende (Filter!). Dort nahm ich auch endlich mal eine dieser riesigen Knollen unter die Lupe, die sich an so manchen Bäumen befinden. Termiten. Die kleinen Holznager bauen nicht nur diese geschwürartigen ²Gebäude" sondern auch noch richtig überdachte ²Autobahnen" dazu, in denen sie geschützt umherrennen. Als es heftig zu Regnen begann, stellten wir uns bei einer Bergbauernfamilie an deren Lehmhütte unter, wo wir auch unser Zelt aufschlagen durften. Dort wurden wir zum Essen eingeladen - zu Bohnen, Reis und Käse, dem wohl typischsten Gericht in Zentralamerika.
Der Weg war vom Regen ziemlich mitgenommen und zum Anstieg kam nun noch klebriger Matsch als Erschwernis dazu. Abgerutschte Hänge, weggespülte Straßen und erodierte Böden ließen wieder auf Mitch schließen, der uns die ²Strasse" etwas abenteuerlicher gestaltet hatte. Die Vegetation wechselte inzwischen von tropisch auf kühleren Bergwald und wir kamen an ein malerisch gelegenes Mini-Dorf, welches mit den gefleckten Kühen ans Allgäu erinnerte. Nach einer rasanten Abfahrt erreichten wir die erste kleine Stadt - La Union. Dort campten wir direkt am Wasserfall, wo wir eine herrlich kalte Dusche genießen konnten (wenn gerade kein Auto davor gewaschen wurde). Tags drauf kochten wir wie gewohnt unter Anwesenheit des ganzen Dorfes ein kleines Mittagessen und bekamen in dem Dorf mit Wasserknappheit etwas Regenwasser geschenkt. Leitungswasser ist in vielen Dörfern Zentralamerikas eine nicht selbstverständliche Einrichtung und es gibt abwechselnd Wasser aus dem Brunnen, Quellen oder eben vom Himmel. Nach einem Stück mit schönster Hügellandschaft und einem Gruppenfoto mit Polizisten, durften wir auf einem Fußballfeld einer Siedlung zelten.
Wir verliessen die schöne Gegend als wir auf die große Teerstrasse stiessen, welche nach Tegucigalpa führte und waren zurück auf verkehrsreicher Strecke. In einem grösseren Ort fanden wir bei einbrechender Dunkelheit erneut ein Fußballfeld in einer sehr ärmlichen Region. In kleinen Häusern und Hütten wohnten unsere Nachbarn direkt um das Spielfeld. Wieder wurden wir von einer Schaar umringt, bestaunt und befragt. Nach einer lärmreichen Nacht gingen uns die Kinder allerdings gehörig auf die Nerven als bei jedem Gegenstand, den wir in die Hand nahmen, die Forderung "schenk mir das" kam. Aber dies zog sich noch bis nach Nicaragua weiter. Eine ganz beliebte Aussage unserer Beobachter war auch immer "schau wie toll das Rad ist", "schau wie schön das Zelt ist" und "ach wie schön ist doch der Kocher". Die Ansicht der Leute war oftmals immer die gleiche - was wir haben ist toll und was sie haben ist alles nur schlecht.
Landschaftlich wurde es in Richtung Tegucigalpa immer trockener, die grünen Flächen verschwanden und nach der dritten Nacht in Folge auf einem Fußballfeld erreichten wir die Außenbezirke des Großtadt-Molochs. Bei brennender Sonne rackerten wir abgasschnaufend den letzten Berg hinauf um die in einem Talkessel liegende Stadt zu erreichen. Schon von weitem sahen wir Unmengen von Aasgeiern über der gigantischen Müllhalde kreisen, die mit ihrem betörenden Geruch die Luft versüßte. Aber auch in dieser ekligen Umgebung leben Menschen in teilweise aus Müll gebastelten Verschlägen - manche sogar direkt darin. Wir hatten einen weiten Blick in das Tal, welches nur so überquoll von Häusern, Hektik und Verkehr in einem zarten Hauch von Abgasen.
Die Stadt war vor einem halben Jahr von dem Unwetter Mitch sehr schwer getroffen worden, was man an zahlreichen zerstörten Gebäuden sehen konnte. In einem düstereren Eck der Markthalle fanden wir es am gemütlichsten, einen Kaffee zwischen all den verschiedenen Ständen mit Gerüchen von Käse, Fleisch und Moder zu trinken. Wir trafen uns mit Christine, die mir mit meinem Computer helfen wollte, was aber wieder erfolglos blieb. Wenigstens traf es mich nicht so hart wie ihre Freundin Kirsten, deren Laptop mitsamt der Doktorarbeit geklaut wurde. Einmal liefen wir in der Nacht durch den Stadtteil Comayagüela, wo uns die ganze Atmosphäre ein unheimliches Gefühl von Endzeitstimmung verschaffte und auch die Blicke der kleinen Gruppen nicht besonders liebreizend waren. Dann trennten sich unsere Wege um den dritten Mann in Managua abzufangen.
Ich musste wieder einige Stunden bergaufradeln um die City zu verlassen und schon nach wenigen Kilometern wechselte die Stadtlandschaft in schöne Natur mit herrlichem Grün, Wald und kleinen Dörfern. Leider sah ich in der tollen Gegend immer wieder Bäche, die anstelle von Wasser Seifenlauge führen - ein Problem, welches sich durch ganz Mittelamerika zieht und sicher in Südamerika bestehen bleiben wird. Immer wieder wollten mich die Einheimischen von der Gefährlichkeit des Zeltens überzeugen, aber ich musste vermehrt feststellen, dass sie meist nur Angst vor der Dunkelheit hatten.
Nicaragua (Aug 99)
Ein langer und steiler Pass mit einer tiefen Schlucht am Strassenrand führte mich zum Grenzübergang Las Manos. Die Ausreise war in einer Minute erledigt aber die Einreise nach Nicaragua ein langer Papierkrieg, gepaart mit unverschämten Gebühren und Hetze von hier nach da. Die korrupten Beamten veranschlagen je nach Lust und Laune - abhägig auch vom Wochentag - zwischen 5 US$ bis zu 32 US$ (zahleten Mike und Stefan). Mein Rad benötigte auch extra Papiere, die auch extra kosteten. Ich kam letztendlich mit 15 US$ rüber - aber nicht ohne die Beamten richtig beschimpft zu haben. Herzlich willkommen. Kein Wunder, dass der Tourismus dort nahezu ausbleibt.
Die Srasse wurde dafür gleich um 100% schlechter und wie in Honduras wurden überall Sturmschäden repariert. Ich verlor gut 1000 Höhenmeter auf dem Weg nach Ocotal, wo ich mich in einer fensterlosen Pension einquartierte um auf Oli und Matthias zu warten. Die Kleinstadt hatte einen Markt in den Gassen, wo alle möglichen Waren feil geboten wurden, als Dach gespannte Platikfolien eine Tunnelatmosphäre schufen und sich die Leute hektisch durch die Enge drängelten. Die Lebensmittel waren zum Glück sehr billig und ich fand endlich eine neue Mütze. Nach zwei Tagen kamen meine Freunde an um gemeinsam die Fahrt fortzusetzen.
Wir hatten in einem kleinen ²Comedor" gerade unser Grillhuhn verspeist, als ein kleiner Junge den Raum betrat. Der etwa 10-jährige kam zu uns an den Tisch und fragte, ob er die Knochen haben könne. Er sammelte flugs die Reste von unseren Tellern und begann gleich daran zu nagen. Wir blickten uns gegenseitig sprachlos an...
Nun waren wir zu dritt und radelten zum ersten Mal auf der Panamerikana - allerdings nur 20 Kilometer bis nach Condega, wo wir auf eine Schotterpiste abbogen. Dort fanden wir zur Abwechslung mal ein Fussballfeld auf dem wir zelten konnten und brutzelten zum Abendessen Kartoffelpuffer. Am frühen Morgen wurden wir von Kindergeschrei geweckt als eine Schulklasse ihren Sportunterricht abhielt. Alle waren mit der gleichen Uniform gekleidet und übten sogar Marschieren!? Da war die nächste Nacht in einer halbfertigen Hütte kaum interessanter, wo uns ein Verrückter ständig mit kleinen unverständlichen Briefchen aufwartete. Wir kamen kaum voran, da die Strecke sehr bergig war und der Schotter die Reisegeschwindigkeit drückte. Der weitere Weg durch die Bergwelt war mehr als malerisch und wir erreichten nach einer rasanten Abfahrt die Stadt des Nebels, Jinotega.
Sie liegt in einem schönen Tal umgeben von saftgrünen Bergen, die sich leider meist unter dicken Wolken befinden. Wir legten einen Tag Pause ein um an den Apanas See zu fahren, an dessen Ufer man allerdings vor Matsch nicht gelangen konnte. Dafür gönnten wir uns einen schlechten Frittierfisch, der mir schwer im Magen lag. Ich hatte am nächsten Morgen leckeren Dünnpfiff mit Fieber und der Berg aus dem Tal heraus wurde zur Qual auf dem Bike. (Nach 10 Tagen kam ich der anhaltenden Diarrhoe auf den Grund: Amöbenruhr - mit einer 2g Dosis von Tinidazol kam ich ihnen aber bei).
Nach einer Hügelfahrt entlang der grünen Bergkette lag eine große Abfahrt vor uns, die nach Matagalpa führte. Dort beschlossen alle zusammen mit dem Bus ein Stück weiterzufahren, da meinen Mitreisenden die Zeit ausging und sie unbedingt auf eine Insel wollten.
So kamen wir flugs nach Rivas, wo wir mit der Fähre auf die Insel Ometepe im Nicaraguasee übersetzten. Ometepe ist eine der größten Süsswasserseeinseln der Welt und besteht aus zwei Vulkanen, die dramatisch in die Höhe ragen. Einer von ihnen ist noch leicht aktiv, 1610 Meter hoch und der andere etwas kleiner, ruhiger und hat einen tollen Kratersee, zu dem man hinaufwandern kann. Einzigartig auf der Welt sind auch die hier vorkommenden Süsswasserhaie und andere Arten, die normalerweise nur im Meer zu finden sind. Ein Paradies für alle möglichen Aktivitäten - Wandern, Baden, Beobachtungen (Reptilien, Schmetterlinge, Vögel), Dschungeltouren und vieles mehr. Angeblich sollen auch vor langer Zeit Inkas und Mayas dort zusammengekommen sein und archäologische Ausgrabungen sich im Anfangsstadium befinden.
Wir radelten auf die andere Seite der Insel nach Altagracia, wo alte Steinfiguren mit wilden Fratzen vor einer Kirche stehen. Dort zelteten wir am nahegelegenen Strand vor einer anderen Kirche. Ich wollte schon lange versuchen Brot nach Beduinenart zu backen, so wie ich es von Henry erzählt bekommen hatte. Dazu buddelt man einfach ein Loch in den Sand, macht ein Feuer darin, nimmt dies wieder heraus und gräbt den Teig im heißen Sand ein. Danach startet man nochmals ein Feuer darüber. Abgesehen von daran klebendem Sand (soll nicht üblich sein ,aber ich werde noch üben!) war es recht lecker und die Einheimischen staunten nicht schlecht. Was uns dort nicht gefiel waren die gefangenen Leguane, die in den Kochtopf wanderten und deren Mäuler brutal mit einem Faden zugenäht worden waren.
In San Ramon trafen wir zufällig auf Jean, einen gebürtigen Schweizer, der dort ein Hotel betreibt. Wir blieben dort für ein paar Tage hängen und ich wurde als Koch ²angestellt". Da mein Spätzlehobel immer stärker rostete wurde er noch ein letztes mal abgeschliffen, benutzt und dann dem Hotel überlassen. Neben Brot kamen dort auch leckere Kokosmakronen und Kuchen aus dem Ofen. Oli's Zeit war abgelaufen und wir verabschiedeten unseren Freund von der Insel aus. Mathias hatte noch 10 Tage länger zeit und wir setzten kurz darauf nach Rivas zurück um nach Costa Rica weiterzuradelten.
Costa Rica (Aug -Sept)
Natürlich machten die Grenzer auf der Seite von Nicaragua wieder einen riesen Stress (wir waren schon gereizt bis aufs Blut) und ohne meinen ²Radpass" stünden wir wohl noch immer dort. Glücklicherweise gingen die Formalitäten der Behörden in Costa Rica freundlich, billig und schnell von der Bühne und wir fühlten uns der Zivilisation wieder etwas näher. Zudem haben die Costaricaner ein deutlich höheres Umweltbewusstsein wie sonst gewohnt. Seltener sieht man hier achtlos weggeworfene Abfälle und auch die stinkenden, brennenden Müllhalden fehlten mir direkt. Costa Rica und Panama sind wirtschaftlich die entwickeltsten Länder Zentralamerikas und auch die Leute waren uns gegenüber sehr freundlich, hilfsbereit und aufgeschlossen. Die politische Stabilität, Waffenarmut und zahlreiche Naturparadiese machen Costa Rica zu einem blühenden Touristenziel. Ein tiefgrüner Dschungel empfing uns und wir kamen rechtzeitig zum Sonnenuntergang nach La Cruz, wo wir auf einem durchnässten Fussballfeld zelteten (schon wieder). Auf dem Weg nach Liberia warnte uns ein Tico (so nennen sich die Costaricaner, da sie alles verniedlichen - z.B. poco = poquitico) vor Klapperschlangen, die genau einen Kilometer weiter ²Probleme" machen sollten. Ich schenkte dem soviel Glauben wie immer, aber Mathias radelte von da ab auffällig in der Mitte der Strasse. Wir quartierten uns in der netten Kleinstadt ein, da wir auf die Bank mussten um die Dollar in Colones zu wechseln. Irgendwie fiel uns auf, dass die hübschesten Mädchen Zentralamerikas scheinbar in Costa Rica zuhause sind.
Wir kauften eine Costa Rica Fahne von einem Strassenhändler, die am Heck mit der Bayernflagge kreuzte. Die Strasse in Richtung Küste schlängelte sich durch immergrüne Landschaft, wobei das Klima noch wärmer und feuchter wurde. Wir kamen gut voran, bis dann aber zwei meiner Speichen brachen. Nach Santa Cruz radelte ich noch so mit ausgehängter Bremse weiter und hatte während des täglichen Regens (meist gegen Mittag) Zeit, die Kassette auszubauen und neue Speichen einzuziehen. Die letzten 20 Kilometer waren nicht mehr geteert und der Weg hatte sich in eine etwas matschige Piste verwandelt. Gerade noch vor Sonnenuntergang erreichten wir Playa Junquillal, wo wir uns mit Sam und Christine trafen. Ich hatte ihren Sohn damals in Tikal (Guatemala) getroffen und er hatte mir von seiner Mutter erzählt. Die beiden Neuseeländer reisen in einem älteren RV und arbeiten dort gerade am Hotel Iguaazul. Wir wurden herzlich aufgenommen und hatten viel Spass zusammen. Auch konnte ich wieder Brot backen, da der Camper einen Ofen hatte, ging mit Sam's Buggyboard surfen und wir wurden von Christine in den Mayakalender eingeweiht. Der Leguan, der auf dem Dach des Hauses sein Unwesen treibt, kam eines Morgens herunter und sonnte sich auf meiner Badehose - ein hoffentlich gelungenes Foto.
Der wohl abenteuerlichste Part durch Guanacaste (Region in Costa Rica) begann auf dem Weg nach Nosara. Von Regen aufgeweichte Matschpisten, kurvenreiche Abfahrten und steile Hügel mit reichlich Dschungel wechselten sich mit malerischen Stränden ab. Wir durchquerten zwei grössere Bäche, und standen kurz danach vor einem etwa 20 Meter breiten Fluss der keine Brücke hatte. Er war aber nur knietief, so dass wir gerade noch durchkamen. Nach einem weiteren kleinen erreichten wir den bisher grössten dieser erdfarbenen Flüsse. Diese war jedoch nicht nur gute 40 Meter breit, sondern auch bis zur Gürtellinie tief und hatte eine starke Strömung. Wir mussten das Rad und Gepäck einzeln über dem Kopf hinübertragen und durften so viermal hin und zurück durch die braune Brühe stapfen. Gut, dass es hier keine Krokodile gibt, oder!??
Der Weg führte noch weiter durch den Dschungel aber von Nosara ab konnten wir wieder den Luxus von Brücken geniessen. Schwärme von kleinen Papageien zogen kreischend über unsere Köpfe, hie und da huschte ein Leguan im Gebüsch und Horden von Affen lungerten in den Bäumen herum. Nur die Schlangen, welche etwa 50% der Reptilien in Costa Rica ausmachen, blieben uns verborgen.
Dann trafen wir wieder auf geteerte Strassen - welch Unterschied! Leider auch damit auf mehr tote Tiere - plattgefahrene Gürteltiere, Schlangen und Affen. Wir hügelten uns weiter bis nach Nicoya von wo aus sich unsere Wege trennten. Auch Matthias musste wieder zurück nach Deutschland und ich war somit wieder alleine unterwegs.
Eine flache Strasse führte vorbei an vielen kleinen Farmen an die innere Bucht der Landzunge, wo ich mit der Fähre überstetzen wollte. Auf halbem Weg wurde ich von einem starken Gewitter eingeholt und fragte eine Familie um Campingerlaubniss. Ich durfte sogar die Küche benutzen und erzählte den aufmerksamen Kindern von meiner Reise (mit Bildern von Zuhause). Rührend war, dass die Mutter gleich Tränen bei meiner Abreise vergoss - obwohl ich gerade mal 10 Stunden dort verbracht hatte.
Riesige Mangrovenbäume zierten die letzten Kilometer bis Playa Naranjo, von wo aus die Fähre ablegte. In Puntarenas angekommen gab ich gleich Gas um die mir zu grosse und hässliche Stadt schnell zu verlassen. Der Verkehr war von dort aus wieder sehr gefährlich bis hinein nach San José. Einen Speichenbruch weiter begann ein langer Pass hinauf nach San Ramon und ich schwitzte trotz der angenehm kühlen Luft. Auch die Vegetation wechselte ihr Gesicht und ich radelte an vielen grossen Kaffeeplantagen vorbei. Costa Rica hat mit Abstand den besten Kaffee, den ich auf der Reise getrunken habe. In der Hauptstadt angekommen machte ich mich auf die Suche nach meinen Freunden Mike und Stefan, bei denen ich in der Wohngemeinschaft unterkam. Ein wenig Pech hatte Freund Mike, als proffesionelle Taschendiebe im Bus eine Kreditkarte auf den Boden schmissen, ihm am Bein zerrten und nebenbei im Hosensack rumfingerten. Und schwupp war die Kohle weg - leider auch die Kreditkarte (der lapprige Studentenausweis war ja nicht so wichtig - man bekommt ja sein Bafög auch so).
Da ich immer noch Computerprobleme hatte erinnerte sich Edi eines Studienfreundes, inzwischen Computerspezialist ist. Marco, mit dem ich mich gleich super verstand, war von meiner Reise begeistert und der überdurchschnittlich sympathische Tico nahm mich in seiner Wohnung auf.
Dort verbrache ich einige Zeit und konnte die Computerwelt in vollen Zügen geniessen. Als kleinen Ausgleich kochte ich jeden Tag für ihn und seine Freundin Helga. Wir verbrachten auch viel Zeit zusammen und die beiden liessen es sich nicht nehmen mir ein paar tolle Plätze und von der Kultur Costa Rica's zu zeigen. So waren wir gemeinsam auf dem Vulkan Poas, der nicht nur den grössten Krater der Welt hat, sondern auch in einem Zoo wo ich hier heimeische Tiere zu sehen bekam. Als wir zusammen in einem italienischen Restaurant zum Essen waren staunten die Besitzer nicht schlecht, als ich alleine eine Familienpizza verdrückte und zur Krönung noch ein Tiramisu hinterherschob. Aber an meine Spaghetti Bolognese kommt nix ran - fragt meine Freunde.
Über ein langes Wochenende düsten meine Gastgeber mit mir an die Karibikküste nach Puerto Viejo, da ich ihrer Meinung nach diesen ganz speziellen Teil Costa Ricas nicht auslassen könne. Das Flair dort war wirklich etwas besonderes - so sparte ich mir auch den Flug nach Jamaika. Überall waren dunkelhäutige Rastafaris mit langen Dreadlocks zu sehen, an allen Ecken sprossen Reggae Bars aus dem Sand und die Händler boten gitarreklimpernd Schmuck und Haschpfeifen an. Die Sprache der dort Heimischen war ein besonderer Ohrenschmaus - eine eigene Mischung aus Spanisch und Englisch - deren witzige Betonungen mir noch immer Lachfalten bescheren.
Wir campten im Dschungel des Nationalparkes Cahuita, wo wir von Reptilien, Spinnen, Krebsen, Waschbären, Aasgeiern und Horden von kreischenden Affen nur so umgeben waren. Diesmal fehlte am schönen Strand mit seinem herrlich klaren Wasser allerdings der wie sonst gewohnte Müll.
Einen zusätzlichen Tag brachte uns ein Streik der LKW Fahrer ein, die alle Strassen aus Limon heraus blockiert hatten. Ich nahm noch ein Stück Bambusrohr mit aus dem Dschungel um meinem Freund Marco ein Digeredoo zu basteln - klingt erstaunlich identisch mit dem Australischen Original aus Eucalyptus - hört einfach mal rein: :
Zur Verabschiedung von Mike trafen wir uns in einer grossen Bar, wo zur Unterhaltung der Gäste kleine Wettbewerbe unter den Anwesenden ausgetragen wurden. Als zu meiner besten Disziplin, einem Wettessen aufgerufen wurde, war ich als erster auf der Bühne. Ich hatte das ketchuptriefende Spare-rib schneller verschlungen als mein Gegener zum Anfangen kam, was ein Kinderspiel für mich war, da ich zuvor noch nichts gegessen hatte. So habe ich mir ein neues T-Shirt und eine grosse Flasche Rum erfressen...
Der Kilometerzähler stand in San Jose auf 16.500 und meine Muskeln werden jedes mal von all der Computerarbeit schlaff - aber es gibt noch viel zu tun, radeln wir's an.
der Süden von Südamerika ....und dabei sehe ich gerade, daß das Tagebuch von Ecuador, Peru, Bolivien, Brasilien und Uruguay irgendwie verloren gegangen ist...
Argentinien und Chile (31.07.2001)
Wie immer war es sehr schwer meine guten Freunde zurückzulassen, aber leider ist dies nicht anderst möglich bei meinem Abenteuer - auch wenn man sich nie daran gewöhnen kann (speziell nach 3 Monaten in Young - gut, 2 davon vor dem Compter um die Web zu gestalten). Ich überquerte die Grenze nach Argentinien ohne jegliches Problem und verbrachte die Nacht direkt am Fluss "Rio Uruguay", der die beiden Länder voneinander trennt. Ich war doch irgendwie glücklich über die nahezu flache Strecke um meine Muskeln ans Radeln zurückzugewöhnen, aber ich war schnell gelangweilt von ewigen Farmland mit unabwechslungsreichen Feldern, Kühen und öder Graslandschaft. Laaaangweiligst, aber dafür gab´s ab und an ein leckeres Grillsteak - das berühmte "Asado" - vom BSE freien Rindfleisch. Da kann man noch herzhaft zubeissen und freut sich auf eine halbdurchgebratenes, blutiges Stück...
Der Herbst war ins Land eingezogen und mir gefallen einfach diese herrlichen gelbtöne, in welches sich die Bäume kleiden. Die Argentinier waren mir gegenüber recht aufgeschlossen, wie ich es eigentlich auf meinem ganzen Weg durch die Welt erfahren durfte. Irgendwie scheint mir dies auch ein gewisses Mysterium zu sein - alles, mein ganzes Leben, Gesundheit, die Natur und die Menschen - alles scheint zu wollen, dass ich dieses Abenteuer bestehe. Auch, wenn es oftmals brenzlig wurde oder ein Problem auftrat - immer fand sich eine Lösung und es ging gut aus. Klar, dies kostete mich oftmals viel Kraft, Durchhaltevermögen und Hoffnung.
Ich radelte nach durch die Provinzen Entre Rios sowie Cordobá und kam nach Villa Carlos Paz, da mich ein Freund aus den USA mit seiner Bekannten, Maguí, in Verbindung gebracht hatte. Auch traf ich meine Freunde Gaby and Silvana, die mir damals in Lima die Tätowierung verpasst hatten - was für eine Wiedersehensfreude!!! Und Silvana liess Ihrer Begabung wieder mal freien Lauf und zeichnete mir mit einem einfachen Kugelschreiber ein wirklich phantastisches Gemälde in mein Tagebuch. Wer´s genau haben will muss es einfach mit der
Maguí klettert ebenfalls und so gingen wir gleich an einen nahegelegenen Felsen, wo sie leider auf dem Weg meinen Ninja Kletterschuh aus ihrem offenen Rucksack unwiederbringlich verlor. Aber dank meiner guten Verbindung zu Boreal bekam ich schnell Ersatz und konnte mit Freunden in "Los Gigantes" einige schwere Routen ziehen. Ein herrliches Klettergebiet in dem ich gerne länger geblieben wäre. Aber das Wetter verschlechterte sich, was mir jedoch auch die Gelegenheit gab meinen Vaude Schlafsack richtig auszutesten. Bei 15 Grad unter Null verpasste ich mir drei Nächte in Wind und Schnee im Freien, was mir gar keiner glauben wollte.
Ganz freundlich wurde ich auch vom Touristenbüro in Villa Carlos Paz empfangen, die einen ganzen Medienrummel in Gang setzten. So wurde ich wie ein Star von Fernsehen, Zeitung und Radio interviewed und als Dank dafür wurde mir in Begleitung von den Parkwächtern der Park "La Quebrada del Condorcito" persönlichst gezeigt. (Sowas wie eine kleine Werbung mit mir für den Park... wenn schon mal die Medien anrückten...). Aber wir hatten viel Spass und einen tollen Tag - vielen Dank ans Tourist Office und den Park Rangers für die schöne Tour.
Dort im Park sah ich zum ersten Mal den grössten Vogel der noch existiert - den Condor - dessen Spannweite bis zu 4 m erreichen kann!! Wir zählten 18 der Greiffvögel an einem kleinen Wasserfall an dem sie badeten.
Das war das, was ich bein meiner Reise duch die Anden in Ecuador, Perú and Bolivien bisher vermisst hatte!!
Von Carlos Paz aus ging die Reise dann weiter in Richtung Mendoza. Dazu musste ich nach dem Pass El Condor durch eine grössere Wüste radeln - die Pampa Grande und Pampa del Salado. Das Dorf Luján war die letzte Zivilisation für die nächsten 189 Kilometer - was ein Schild dick verkündete. Ich radelte mit 8 l Wasservorrat in die öde Wüste hinein und fluchte gleichmal über den Gegenwind der mir die Fahrt erschwerte. Nach 50 Km kam ich an einem einsamen Hüttchen vorbei und hielt bei dem alten Ehepaar, die mich ganz erstaunt anblickten und meinten wie mutig ich doch sei. Aber in Wirklichkeit ware die beiden Alten noch viel mutiger, dort inmitten von Wüste und Einöde - fernab von jeglicher Versorgung (weder medizinisch noch sonstwie) dort ihr Dasein zu fristen. Die Liebe hält sie zusammen und sie geniessen die Friedlichkeit dort im "Outback". All you need is love.....
Ich genoss die Strecke durch die unwirtliche Gegend, da mich nur eine handvoll Autos am ganzen Tag aus meiner Gedankenversunkenheit rissen und nach einer atemberaubend ruhigen Nacht in der Buschwüste erwarteten mich nochmals 120 verkehrsruhiger Piste. Die Wüste änderte ihr Gesicht und ich kam an den Ausläufer eines Flusses, der sich hier verlierte. Und dabei wurde mir wieder bewusst, dass ich manchmal einem kleinen Rinnsal welches in den Bergen entspringt folge, dieses sich zu einem Bach formt und ich im Tal dann einem grossen Fluss, ja sogar Strom folge. Und dann sehe ich diesen in der Wüste im Sand wieder versickern....
Ich erreichte das - wie soll ich sagen, Dorf? - Encón, das nicht gerade mit viel mehr als einer Polizeikontrolle und ein paar kleinen Kioskständen mitten im Nirgendwo aufwartete. Gut, ich hatte zumindest Essen und Wasser zu meinem einsamen Zeltplatz in der schuppingen Lehmbodenebene, die vor Trockenheit tiefe Furchen zog. Da mein Hintern reichlich schmerzte wollte ich einen Ruhetag einlegen, jedoch überzeugte mich ein lauer Wind zu meinen Gunsten, dass ich doch besser weiterradle bevor dieser sich dazu entschloss mir den Weg zu erschweren. Also pedalte ich weitere 100 Wüstenkilometer - diesmal entlang riesiger Sanddünen, die mit Büschen und trockenen Gewächsen bewuchert waren. Ich schloss darauf, dass diese dann wohl keine Wanderdünen wie die an der Küste waren. Und urplötzlich traute ich meinen Augen nicht mehr. Hatte ich doch nun über 300 km vegetationskarger Landschaft hinter mich gebracht, als nach einer kleinen Kurve auf einen Schlag eine Weinplantage auftauchte. Was für ein Wandel. Der erste wirkliche Ort empfing mich. Dort wird der Fluss Mendoza als Wasserversorger vermarktet und eine Firma baut die Kanalisationen um die Felder zu bewässern. Kein Wunder, dass diese Region hier "New California" genannt wird - die Landschaft ist nahezu 100% identisch. Das von den Bergen umrahmte Tal, die Früchte (Pfirsiche etc.) und Nüsse, der Weinanbau - und es gab sogar das böse "Puncture weed", welches meine Reifen plattmachte. Ich kam in den Ort "Costa de Araujo" und zeltete neben dem Fluss mit einem herrlichen Blick auf die mich erwartende Bergkette. Endlich legte ich einen Ruhetag ein und grillte ein riesiges 800g Asado - welches nur so auf der Zunge verging.....
Meine Radfreunde Brad und Carter hatten mir die Adresse ihres Freundes Chelo in Mendoza gegeben, der schon lange auf mich wartete. Ich wurde herzlich empfangen und schnell bildete sich eine tiefe Freundschaft zwischen ihm und unseren gemeinsamen Freunden in Mendoza. Die Küche nahm ich gleich in Beschlag und kochte wieder einige meiner Spezialitäten. Man hatte gegen mein Wissen wieder einmal die Presse informiert. So kam ich mit einem dicken Bericht in der grössten Zeitung der Provinz in die Medien und traf auf Bernardo, einen begabten Profifotografen und Kletterer. Zusammen mit ihm zog ich los um einmal richtige Bilder zu schiessen....
Fotograf: Bernardo Jimenez, Mendoza, Ar
Jeff in der Route RASTROJERO MUSICAL, 7a
Entgegen allen Warnungen vor den Winterstürmen brach ich los, da meine Aufenthaltsgenehmigung am Ablaufen war und radelte der Pre-cordillera entgegen. Schon nach ein paar wenigen Kilometern war ich aus der Stadt Mendoza heraus und bog auf die verkehrsarme Nebenstrecke ab, die über Villavicencia führte. Wieder empfing mich eine Wüstenlandschaft und ich schaffte es den ersten Teil des Anstieges bis an eine Baustelle kurz vor Villavicencia. Am nächsten Tag nahm ich den Pass in Angriff und wurde diesmal wirklich der härteste Teil meiner bisherigen Reise. Ein Schild verkündete die "Caracoles", was so viel wie Schnecken bedeutet, da sich der Schotterweg in Serpentinen auf 3000 m hochschraubt. Mein Pech war, dass gerade an diesem Tag ein heftiger Orkan einsetzte, der mich an vielen Stellen in die Knie zwang bzw. samt Rad umblies. Mehrmals musste ich mit den Bremsen voll angezogen ausharren und wurde trotzdem unglaublicherweise noch vom Wind zurückgeschoben!!! Kleine Steine flogen nur so durch die Gegend und nur mit roher Gewalt schaffte ich es mich samt Rad um die nächste Kurve zu quälen. So schraubte ich mich in mit einer Durchschittsgeschwindigkeit von 5 km/h höher und höher - und plötlzlich kam zum Sturmwind auch noch Schnee (viento blanco). Wenigstens kam so mal meine Gore Tex Ausrüstung zum Einsatz. Ich schleppte mich noch bis zum Ende meiner Kräfte weiter bergauf und schaffe es auf 2700 m. Zwar hatte ich kein Wasser, aber es lagen noch vereinzelt Schneewehen an den Felsen. Ich fand eine kleine Schlucht, die etwas Windschutz bot und musste mein Rad abpacken um Stück für Stück mein Zeug dort hinunterzuschleppen. Eine Schneewehe versorgte mich mit Wasser und so war ich wenigstens vor dem Verdursten sicher.
Der Wind hatte die ganze Nacht getobt, aber am nächsten Morgen ebbte das schrille Pfeiffen um die Felskanten ab. Jedoch hörte es nicht auf zu schneien und mich durchzuckte plötzlich ein Gedanke, der mir alle Müdigkeit auf einen Schlag nahm. Würde ich den Weg ausmachen können in all dem Weiss??? Ich blickte aus dem Zelt - und sah, dass alles von ca. 30 cm Schnee bedeckt war. Und kein Fahrzeug begibt sich auf die Nebenstrecke, da diese ja nie geräumt wird! Hastig kochte ich mein Frühstück, verflüssigte den Schnee zu Trinkwasser mit meinem Primus und grub das Zelt aus dem Schnee. Ich musste all meine Sachen wieder bis an die Strasse hochschleppen und war glücklich - der Verlauf des Weg war trotz Schnee zu erkennen. Aber es war ein böser Kampf bergauf mit dem Bike durch den schwer knirschenden Schnee in den sich meine Reifen tief eingruben. Vor allem konnte ich nach einiger Zeit kaum noch in das Weiss vor mir starren und meine Augen schmerzten vor Konzentration. Das Wort Schneeblindheit schoss mir in den Kopf. Doch ich erreichte letztendlich doch noch das Passende - La Cruz, 3000 m - bei heulendem Schneesturm, wo ich im Schutz der Marienfigur Mate kochte. Die Abfahrt war dann das kleinere Problem mit zwei Stürzen in tiefe Schneeverwehungen und so kam ich bald unterhalb der Schneegrenze. Eine lange Fahrt entlang herrlicher Felsen brachte mich nach Uspallata, wo ich wieder zurück in der Zivilisation war. Geschafft! Ich kochte Spaghetti und zeltete windgeschützt ausserhalb des Ortes in einer Art Kiesgrube. Der nächste Tag wartete mit Sonne auf und der Blick auf die verschneiten Berge lässt sich kaum beschreiben - atemberaubend. Rings um mich herum lagen weisse Gipfel - der Anden und Pre-Anden - wie in einem Talkessel.
Die Gendarmerie versorgte mich mit den neusten Schneeinfo´s und sagte mir, dass der Pass nach Chile gesperrt sein. So blieb ich noch einen Tag im Ort und brach am nächsten Tag auf - entgegen den Empfehlungen zu warten. Denn so kam ich immer näher and die Räummannschaft und im Falle einer Passöffnung war ich so vor Ort. Also deckte ich mich mit reichlich Lebensmitteln ein und radelte der weissen Bergkette entgegen. Eine unglaublich schöne Landschaft empfing mich durch die der Rio Mendoza ein steilwandiges, meterhohes Flussbett gefressen hatte. Ich strampelte mich immer tiefer in die Anden und war bald zurück in der Schneelandschaft. Die wenigen Autos die mir begegneten hupten und winkten meist vor Begeisterung, filmten und knipsten den Winterradler in T-Shirt und kurzer Hose (aber nicht mehr lange!!!). Ich zeltete mitten in den Bergen in einem verharschten Schneefeld mit weitem Blick in die Andenwelt - herrlich. Und wieder war ich froh um den Schnee als Wasserversorgung. Jedoch bangte ich um mein Zelt als in der Nacht ein starker Wind losbrauste, da die Heringe nur im losen Schnee steckten. Doch diese hatten sich eingefroren und ich konnte beruhigt weiterschlummern - denn auch die 15 Grad unter Null liessen mich im Daunenschlafsack unbeeindruckt. So erreichte ich problemlos das frisch geräumte Streckenziel am nächsten Tag - Puente del Inca. Nun sah ich auch, weshalb der Pass schon so lang gesperrt war - die Räummannschaft musste sich durch bis zu 6 Meter hohe Schneeberge fräsen und mehrere LKW Anhänger standen verlassen am Rand oder waren von Lawinen auf die Strasse gedrückt worden. Phantastisch, wie sich die meterhohen Schneewände am Strassenrand auftürmten.
Ich zeltete direkt vor dem Naturwunder Puente del Inca - eine natürliche Steinbrücke, die von einer schwefeligen Thermalquelle mit einer gelben Schicht überzogen wurde. Die beeindruckende Brücke überquert den Rio Mendoza in einer Höhe von 19m, ist 27m breit und 21m lang. Unter der Brücke steht die Ruine eines Hotels, das vor Jahren von einer Lawine zertstört wurde. Doch immer noch fliesst das warme Thermalwasser in alte Badebecken ... und ich gönnte mir ein angenehmes Bad in der Ruine in der sternklaren Nacht nachdem die Touristen sich nicht mehr an den steilen vereisten Abstieg dorthin wagten. Ich war wieder auf 2700 m und verbrachte zwei weitere Nächte mit Tiefsttemperaturen im Schnee. Dann machte ich mich an die letzten Kilometer bei eisigem Gegenwind und war froh, dass der Pass und somit der Tunnel nach Chile geöffnet war. Ein paar letzte harte Radelstunden und ich stand in Chile!! Ich hatte es geschafft und war froh, dass ich nicht auf die Gendarmerie gehört hatte - denn so konnte ich die tolle Strecke ohne Schwerlastverkehr geniessen. Viel hat mir auch psychisch geholfen zu wissen, dass Freunde auf mich in Chile warteten. Nun hatte ich eine lange Abfahrt vor mir - jedoch musste ich mich ersteinmal durch die Chilenische Einreisebürokratie kämpfen, die mir Probleme machen wollte ...aber diese lösten sich irgendwie letztendlich in Luft auf und ich raste genüsslich den Pass hinunter. Serpentinen schlängelten sich dort endlos hinauf - und ich konnte eine Kolonne von LKW´s sehen, die sich in Richtung Tunnel bewegten. Doch weiter unten im Tal warteten ca. 800 bis 1500 von ihnen in einer gigantischen, 40 km langen Schlange. Seit 2 Wochen nun schon war der Tunnel gesperrt und so hatte sich dieser gigantische Wartestau gebildet.
Ich kam nach Los Andes, wo sich die Casa de Ciclista des Tierarztes Eric Savard befindet und ich auf meine alten Freunde Cristian Crosty Medrano und Carter Wall traf - nach all der langen Zeit - ein irres Wiedersehen!!! Dort befinde ich mich im Moment und muss meine Sachen in Ordnung bringen. Der Pass ist inzwischen wieder zugeschneit und war somit gerade mal für zweieinhalb Tage geöffnet....was meine Entscheidung bestätigte... Und der Blick aus dem Panoramafenster auf die verschneiten Anden....lässt mich nur schwer auf den Bildschirm hier starren.....
P.S. Ich habe natürlich sehr viele Dias geschossen, aber bisher keine Transportmöglichkeit nach Deutschland gefunden. Der Post traue ich nicht und eine Entwicklung hier bedeutet rahmenlos ... und Qualitätsgarantie?
Aktueller Kilometerstand: 27.000 km