REISEBERICHT

England und Schottland (Juni, Juli 98)

Als wir aus dem Bauch der Fähre radelten, mussten wir uns zunächst einmal an den Linksverkehr gewöhnen und vor allem das Abbiegen an Kreuzungen wurde richtig interessant. Die erste Nacht war für lange Zeit die letzte ohne Zelt, da es die nächsten fünf Wochen nur noch regnete oder feucht war. Deshalb ist die Insel auch bezaubernd grün und wird scheinbar zu 80% von Hasen, Schafen und Fasanen bevölkert. Während die kuscheligen Wollknäule uns sanft in den Schlaf blökten, wurden wir immer wieder von den Fasanen mit ihrem lauten und unnatürlich metallisch klingenden Schrei erschreckt.

In unserer Partnerstadt East Grinstead wurden wir nicht als Mindelheimer erkannt, aber im nächsten Dorf zum Schlaf auf "Englischem Rasen" eingeladen, bekamen Beacon & Eggs sowie eine gute Tasse Tee zum Frühstück. Völlig vom Regen durchweicht stießen wir zufällig auf ein buddhistisches Kloster in dem wir für eine Woche arbeiten konnten. Wir tapezierten Wände, strichen die Decke und kochten für 25 Mönche orig. Kässpätzle in der riesigen Küche. Die Mönche waren ziemlich verschieden - von mysteriös, ansteckend freudig bis hin zu überwitzig. Alleine wenn ich an die Australische Mönchin zurückdenke. Als ich sie ärgern wollte und meinte, dass die Australier ja alle ehemalige Knastbrüder aus England seien wie Diebe usw, verdrehte sie die Augen, steckte grinsend einen Löffel in ihre Tasche und meinte: "deshalb kann ich´s immer noch nicht lassen". Nebenzu nahmen wir natürlich an den religiösen Zeremonien Teil, hatten Zeit für Meditation und Reparaturen an unserer Ausrüstung. Eine tolle Erfahrung von friedlichstem Zusammenleben, Respekt und einfach einer unglaublicher Ausstrahlung der Leute. Fast wäre ich geblieben.

Wir campten unter anderem auf einem Golfplatz, in einem Schafstall, auf Bergen und an Seen, unter einer modrigen Brücke - mit einem Wort einfach überall. Nach dem felsigen Peak District hatten wir die ersten richtigen Berge mit bis zu 25% Steigung zu bewältigen (im Lake District). Eine wunderschöne Landschaft mit vielen malerischen Seen, Flüssen und kleinen Orten, umrahmt von grünen Hügeln empfing uns dort. Doch leider wie an allen schönen Plätzen dieser Erde tummelten sich auch hier viele Touristen, wo man doch zu gerne alleine wäre. Zurück an der Küste fragten wir einen bärtigen, schlaksigen Farmer , ob er uns nicht Milch verkaufen könne. Der meine nur darauf: "Heute abend ist das Fussballspiel". Wir hätten aber keinen Fernseher gab ich zur Antwort. Schlussendlich schliefen wir im Heu und sahen das WM Spiel Deutschland - Iran bei Chips und belegten Broten.

Entlang der Kueste radelten wir nach Schottland und sahen die ersten Loch's, wie die Seen hier genannt werden. In Edinburgh buchten wir den Flug nach Kanada, verbrachten eine Nacht im tollen Castle Rock Hostel, besichtigten die interessante alte Stadt und machten uns auf den Weg nach Glasgow. Dorthin radelten wir in einem Bogen weiter nach Norden ueber die Grampian Mountains durch herrliche Natur, einzig geplagt von Midgies. Diese winzig kleinen Beissfliegen sind bekannt fuer ihre Boesartigkeit und so mancher Reisende hat wohl schon seinen Verstand dadurch verloren. Wir vermummten uns komplett mit Kleidung, Handschuhen, Muetze und Brille und kamen nochmal mit dem Leben davon. Am Loch Lomond stoppten wir fuer einen original Scottisch Pup, der in einem uralten Gebauede mit dunkelstem Ambiente, steinalter Einrichtung und Wirt im Kilt unseren Durst mit Guinnes stillte. Wir querten mit der Faehre ueber das Loch, fotographierten die haarig - zotteligen Galloways und verbrachten die letzte Nacht im Gebaude des Flughafens, wo wir mit all dem Gepaeck doch ein wenig komisch betrachtet wurden. Bis hierher hatten wir 3000 Kilometer auf europäischem Boden zurückgelegt und waren sehr auf den für uns neuen Kontinent gespannt.

Kanada (Juli - Sept)

Das Erste was uns in Nordamerika auffiel waren die riesigen Autos, von denen kaum eines weniger als 6 Zylinder hatte und welche mit tiefem "Rurururu" an uns vorbeibrummten. Wir waren erstaunt über die Hitze und schwitzten fast die ganze Zeit in Kanada, was eher für seine rauhe Kälte bekannt ist. Unsere Ankunft fiel mit der Stampede zusammen, einem mehrtägigem Rodeofestival, weshalb Calgary nur so von allerlei "Wilden" wimmelte. Und von zahlreichen Betrunkenen, die verstreut in den Parks schliefen. Wir ergänzten unsere Ausrüstung mit neuer Bekleidung (dreilagige Gore Tex Jacke), Wasserfilter und Martin entschloss sich einen "Speisewagen" zu kaufen, um genügend Treibstoff mitführen zu können. Mit diesem Kinderanhänger brachen wir bei heftigem Gegenwind in Richtung Rocky Mountains auf und folgten dem Bow River nach Norden. Der nächste Tag bescherte uns noch stärkeren Sturm und wir kamen auf ebener Strecke nur mit 6 - 8 km/h voran, weshalb wir uns dazu entschlossen frühzeitig am Strassenrand zu schlafen. Dann kam langsam die Bergkette in Sicht und irgendwie hatte all dies einen unwirklichen Flair - wie eine Kulisse. Gigantisch. Die Rocky´s hoben sich mayestätisch empor und waren wirklich mehr als beeindruckend. Nach dem Ort Banff bogen wir auf die alte 1A ab, den Bow River Parkway. Vorbei an abgebrannten Waldstücken und den ersten Schildern mit Bärenwarnungen schliefen wir mitten im Wald und von da an mussten wir jeden Tag das Essen brav auf einen Baum hängen, um nicht selbst zu Futter zu werden. Jedes Jahr gibt es genügend Zwischenfälle weil Touristen mit Lebensmitteln im Zelt oder Auto schlafen. Und ein Bär öffnet einen PKW wie eine Büchse Sardinen wenn er will. Und wenn er Hunger hat will er....

Nach dem fetten Berg hinauf zum grünen Gletschersee Lake Luise, wo sich die Touristen aller Länder dieser Erde gegenseitig auf die Füsse traten, war ich so aufgeheizt, dass ich eine kleine Runde im 1-2 Grad kalten Wasser schwamm. Ich hatte jede Menge Zuschauer, die mit Applaus nicht sparten als ich wieder aus dem Eiswasser stieg und ich erinnerte mich an den Film Titanic, wo Leonardo das nadelnde Gefühl auf der Haut beschrieb. Auf wie viele Japanische Filmrollen ich gebannt wurde kann ich nicht sagen, aber ich hatte einige Japanische Kinder, Mütter und Schwestern der Fotografen im Arm. Das glasklare Wasser der Flüsse hatte den Anschein gefiltert zu sein und an manchen Bächen kann man noch direkt daraus trinken, wie zum Beispiel am Hilda Glacier, wo wir für ein paar Tage im Hostel mitarbeiteten. Hier fanden wir doch endlich richtig Kanadische Arbeit - "Holzmachen" - und feuerten mit unseren frisch gespaltenen Scheiten auch die Sauna an. Sternenklare Nächte, gespenstische Nordlichter und ein Grizzleybär waren neben der Schönheit der Rocky Mountains unvergessliche Erlebnisse.Wir bestiegen einen der Berge, wanderten auf dem von gefährlichen Gletscherspalten durchsetzten Columbia Icefield, besichtigten die grossen Wasserfälle und strampelten zweimal über den Sunwaptapass. Kurz nach Jasper folgten wir einem staubigen Schotterweg bis an den Celestine Lake, wo wir einen Traumsee mit Kanu, angelegtem Campground mit Wasserpumpe und Lebensmittelseilzug in herrlicher Landschaft ganz für uns alleine hatten. Fern jeglicher Zivilistation.

Wir mussten jedoch aus Essensmangel wieder zurück aus der Wildniss und beobachteten am Moab Lake eine Elch beim Waten durch die sumpfige Uferregion. Martin hat sein Rad über Nacht in den See geschubst und dadurch meine Kamera, Geld und einiges mehr aufgeweicht (er ist Spezialist in diesen Dingen). Den Pass rasten wir mit 78,5km/h hinunter und überholten frech sogar einige Autos. Im Rampart Creek Hostel arbeiteten wir nochmals ein wenig mit, konnten dort kletten und kochten Kässpätzle. In unserer letzten Nacht im Nationalpark brach ein deftiges Unwetter los und am folgenden Tag war der ganze Nationalpark in dichten Rauch gehüllt, da es zu mehreren Bränden durch Blitzschlag kam. An der Ausfahrt nach Canmore touchierte ich Martins Anhänger und schlitterte mit 38 km/h über den Teer, schürfte meine Taschen und ganz böse meine Haut auf. Aber wer keine Narben hat, hat nicht gelebt - wie ein altes Sprichwort sagt. So kam wenigstens mal eine der Valium zum Einsatz, damit ich wenigstens schlafen konnte. Zurück in Calgary wurden wir von der Freundin des Hostelmanagers für 10 Tage aufgenommen und ich konnte meinen ersten Bericht schreiben, die Dias entwickeln lassen und nach einer 8-stündigen Dianacht wurde uns bewusst, was wir doch schon alles erlebt hatten.

Dann folgten wir dem HWY 22 in Richtung Süden, der ein einziges auf und ab war (rolling hills) und konnten bald keine Hügel mehr sehen. Die Gegend war nahezu unbesiedelt. Nachts wurden wir von heulenden Kojoten umlagert, kochten unter dem Vordach eines Supermarktes im Regen und campten mitten in einem Ort. Vorbei an winzig kleinen Nestern erreichten wir den Waterton Nationalpark, an dem wir direkt vor dem Gehege der Bisons zelteten. Dann schwitzten wir uns den Pass am Chief Mountain hinauf, um dort die Grenze in die USA nach Montana zu überqueren.

USA (Okt - Dez 98)

Beim Eintritt in die USA bekamen wir leider nur drei Monate Aufenthaltsgenehmigung trotz allen gutem Zuredens und waren gleich im "Wilden Westen", was die schiesswütigen Rednecks bezeugten (ziehen vor allem in der Nacht mit Scheinwerfern umher und ballern auf alles was sich bewegt) Mehrere Kleinstdörfer mit mehr Kirchen als Einwohnern lagen auf dem Weg zum Glacier Nationalpark und wir radelten dort über den Logans Pass, der auch "Highway to the Sun" genannt wird. Aber so schlimm wie man uns erzählt hatte war er bei weitem nicht (wie immer - waaaas? Mit dem Fahrrad? Unmöglich!) Im Gegenteil, er schlängelt sich mit gemütlicher Steigung hinauf und die Lanschaft belohnte uns mit den "Sweeping Walls" (schwitzenden Wände), in deren Nieselregen sich schillernde Regenbögen bilden. Die Nacht verbrachten wir auf dem Gipfel direkt am Aussichtspunkt und belagerten die Touristenplattform, welche weit in das mächtige Tal ragte. Natürlich kamen auch gleich um 6 Uhr am Morgen die ersten Touristen um uns beim Frühstück zu beobachten und zu dabei abzulichten. In Columbia Falls tafen wir auf die beiden Zwillinge Brad und Charter, die mit ihren Bikes den "Great Divide Mountainbiketrail" radelten, der von der Grenze Kanadas bis nach Mexiko ausschliesslich über kartographierte Feldwege und Nebenstrassen führt. Wir schlossen uns den beiden Brüdern an und wurden schnell Freunde. Ein herrlicher Ritt über die staubigen Wald und Wiesenwege, die allerdings pfadfindermässige Kentnisse voraussetzt. Leider trennten sich bald unsere Wege, da Martin lieber auf Teerstrassen radeln wollte. Hier sahen wir vermehrt überfahrene Tiere (meist Rehe) und waren von den Mengen richtig schockiert. Alle10 bis 20 Meter entdeckten wir die in allen Stadien der Verwesung daliegenden Kadaver, die einem als Fahrradfahrer des Geruchs wegen immer auffallen(Stinktiere, Waschbären, Rehe, Vögel, Schlangen, Eichhörnchen....).

Wie es der Zufall wollte trafen wir uns in Helena in einem Park wieder, weil wir in der Stadt bei den Eltern meines alten Freundes Chris aufgenommen wurden. Chris war vor vier Jahren Rotary Austausschüler in meiner Stadt und wir verbrachten einige Zeit miteinander. Meine Familie legte ihre Ferien so, dass wir uns dort trafen und wir verbrachten zusammen einen Teil der Reise.

Wir besuchten den Yellowstone NP mit all seinen spritzenden, stinkenden, brodelnden und dampfenden Geysiren und Schlammlöchern. Dann direkt übergehend in den mit spitzen Bergen bekannten Teton NP. Dort trennten sich wieder unsere Wege und wie waren erneut auf uns gestellt. Wir radelten über viele Pässe, durch beeindruckende Canyons und natürlich wieder unzähligen kleinen Abenteuern nach Salt Lake City. Für mehrere Kilometer mussten wir leider über tausende von Heuschrecken radeln, da diese über die ganze Straße verteilt waren. Mir liegt noch immer das knackende Geräusch in den Ohren. Prima war, dass überall in den kleinen Orten Parks angelagt waren, die uns vor Regen schützten und als Zeltplätze missbraucht werden können. Ein paar Kilometer nach Ogdan kamen wir in die Nacht und suchten fieberhaft nach einer Campingmöglichkeit. Aber ausser riesigen Pfirsichfeldern gab es keinen Platz. Also gut - rein in´s Gemüse. Es war ja auch nicht mal jemand da den wir hätten fragen können. Dort machten wir erstmalig Bekanntschaft mit dem hässlichen "puncture weed". Dies ist ein Unkraut, welches stachelige Bollen trägt und diese Reifen, Luftmatrazen usw. löchern. Lösung für die Nacht - alle Kleidung unter den Zeltboden als Schutz. Und dann die Pfirsiche. Die ganze Nacht lang plumpsten die reifen Früchte auf den Boden. Ich kann nicht mit Worten beschreiben wie lecker die waren! Der Farmer staunte nicht schlecht als er uns am nächsten Tag entdeckte, bleib aber cool und lud uns sogar noch ein. Kurz nach Salt Lake City fanden wir keinen anderen Platz als am Rand einer Privatstrasse. Währe ja auch kein Problem gewesen. Aber ich konnte Martin nicht davon abhalten, auf den Wasserturm zu klettern um dort oben eine Zigarette zu rauchen (ich kann Rauch zwar nicht ausstehen, aber gut). Nach wenigen Minuten kreiste verdächtig ein Hubschrauber über uns und im nächsten Moment brausten zwei Polizeiautos an. So mussten wir den Ort verlassen und ich durfte mein Zelt wieder abbauen. Für die nächsten Tage durchquerten wir karge Landschaften durch ganz Utah, die von Wüste bis öder Steppe und steinigen Cañons reichte.

Auf einer dieser staubigen Wüstenpisten flutschte mir noch eine Kontaktlinse auf nimmer wiedersehen aus dem Auge, als uns Trucks mit halsbrecherischer Geschwindigkeit passierten und völlig einstaubten. Dort kämpften wir auf einer endlosen Trockenstrecke gegen den Sturm und wären fast verdurstet. Aber tatsächlich fanden wir eine Farm, wo wir Wasser aus einem Bewässerungsgraben filterten. Es besuchte uns der Farmen - Mormonenpappa mit einem Auto voller Kinder, und das waren einige! Kein Wunder - die Mormonen haben ja die Möglichkeit mehrere Frauen zu heiraten. Dann erreichten wir den Eingang zum Bryce Canyon Nationalpark. Nach einem stärkenden 'All you can eat' waren wir unserer prallen Bäuche wegen kaum fähig weiter zu radeln. Wir waren von dem atemberaubendem Canyon mit seinen farbenprächtigen Sandsteintürmchen, die ins Endlose weiterzuführen schienen vollkommen berauscht. Dort zelteten wir eine Nacht im Wald und hatten das Gefühl die einzigen auf der Welt zu sein bei der unheimlichen Stille, da der Park ja in der Nacht geschlossen wird. Gut, mit einem Fahrrad kann man eben einfach mal schnell zwischen den Büschen verschwinden und keiner merkt es.

Von dort an waren wir wieder zurück auf einem geteerten Highway, der durch den Red Canyon führte. Wir erreichten den Zion NP, dessen gigantische, mehrere hundert Meter steil aufragenden Sandsteinwände meine Kletterfinger jucken ließen. Aber ich machte mir Hoffnungen, im Yosemite etwas meine Finger langziehen zu können. In Hurricane schliefen wir auf dem herrlich grünen Rasen des Stadtparks. Klar - in einer Wüste ein grüner Park. Nun, in der Nacht riss uns dann die Sprinkleranlage aus dem Schlaf, die geschickt im Boden unsichtbar versteckt war. Kochtopf drüber und gut wars. Ein gefährliches Spiel war, als wir auf der Interstate No.15 von St.George nach Las Vegas bei Nacht ohne Licht strampelten, da dies die einzige Zeit ohne Gegensturm war. Und die Interstate ist nicht eine der verkehrsruhigen Autobahnen. Wir erreichten Las Vegas. Wohl die verrückteste Stadt - mitten in der Wüste ein riesiger Spielplatz für Glücksspiele. Eine beeindruckend surreale Welt aus Blinklichtern, riesigen Phantasiegebäuden, Heerscharen von Spielsüchtigen und genügend gebrochenen Existenzen.

Wir schliefen zwei Nächte auf einem Bauplatz inmitten der Stadt neben den Obdachlosen, die mit ihren Einkaufswägen durch die Stadt ziehen und mit Sammeln von Altflaschen ihr Geld verdienen. Sie hatten sich aus alten Bretten, Decken, Autoteilen, Plasitkfolien und sonstigem Müll Untekünfte gebastelt in denen sie leben. Naja, hausen wäre wohl das richtige Wort. Da wohne ich lieber noch in meinem Zelt. Dann verliessen wir die verrückte Stadt wieder und radelten zurück in die Wüste, wo wir die Nacht direkt am Absperrzaun zum Nevada Test Gelände, besser bekannt als Aera 51 verbrachten (Gerüchte um unterirdische Supersicherheitsgebäude mit eingedosten Außerirdischen und UFO Wracks etc). Frühmorgens wurden wir dann von der Military Police im Jeep observiert und bis zum Verlassen des Bereichs nicht mehr aus den Augen gelassen. Klar, so Radreisende sind ja auch gewissermaßen ein Risikofaktor für Dosenaussies. Wir kamen an eine sogenannte ghost town, denn Geisterstadt ist solche, die weniger als 12 Einwohner hat oder so ähnlich. Jedenfalls war dort ganz bestimmt der Hund begraben - aber es gab zumindest Wasser. Dann kamen wir an das Schild des Nationalparks - Herzlich Willkommen im Death Valley. Gleich zu Beginn des Valley's erwischte Marin mit dem Hinterrad versehentlich eine Vogelspinne, welche die Strasse überqueren wollte, was uns ziemlich leid tat.

Ein paar Meter weiter konnten wir dann noch einmal ein lebendiges Exemplar beobachten. Allerdings weigerte sie sich auf meine Hand zu krabbeln. Im Valley hielten wir am General Store um unser Essen unter den neugierigen Augen unzähliger Touristen zuzubereiten. Der Bayernflagge wegen wurde eine ganze "truckload" von Tourist auf uns aufmerksam und so wurde die Suppe kalt, als wir auf die 1000 Fragen Rede und Antwort standen. Die Truppe kam aus Krumbach und Umgebung - wenige Km von unserer Heimatstadt entfernt und eine Frau schenkte uns spontan 40$ - vielen Dank. Man gewöhnt sich auch daran, die ganze Geschichte der Tour jeden Tag zu wiederholen, auch wenn es manchmal schwerfällt. Aus dem Death Valley führte ein langer Pass mit über 5000 Ft, wobei wir über Kälte nicht klagten! Auf der anderen Seite rasten wir wieder bis nach Panamant Springs (mit neuem Hochgeschwindigkeitsrekord von 80,8km/h) hinunter um von dort nochmal 4000 Ft zu erschwitzen.

Entlohnt wurden wir mit tollem Fernblick und ausgesetztem Schlafplatz. Beim Verlassen des Nationalparks kam uns ein Schweizer Fernradler entgegen - und so schloss ich Bekanntschaft mit Albano, den ich 2 Jahre später in Peru besuchen radelte.

Weiter pedalten wir durch Lone Pine, Big Pine nach Bishop, wo wir von einem absolut fahrradfanatischem Zweiradmechaniker, Hugh, aufgenommen wurden. Er überholte und wartete unsere Räder und lud uns zu sich nach Hause ein. Wieder mussten wir bergauf radeln und erklommen die 7800Ft nach Mammoth Lakes. Dort besuchte ich meinen alten Kletterfreund John Bachar, mit dem wir etwas klettern gingen. John ist eine Kletterlegende - einer der bekanntesten Kletterer der Welt. Sowas wie Boris Becker in Tennis. Leider reichte die Zeit nicht um länger bei ihm zu bleiben, da die 3 Monate Visa bald abliefen. Von dort ging es über den Tioga Pass (wo uns über Nacht die Wasserflaschen zugefroren sind) in's Yosemite.

Einfach beeindruckend, was soll ich sagen. Man muss es gesehen haben und kann die Schönheit nur schwer beschreiben. Mit Jonathan und Michelle kletterte ich den Half Dome (eine leichte Tour: Snake Dike), während Martin mit Zahnschmerzen im Valley blieb und diese mit reichlich Whisky und Nikotin betäubt hatte als ich zurückkam. Dafür waren wir aber den ganzen Tag unterwegs - 4,5h Bergwandern - 3h klettern und dann wieder 4,5h zurück latschen. Auf dem Rückweg traf ich dann noch Dean Potter, den ich bei John zuhause kennengelernt hatte. Inzwischen ist Dean einer der besten und bekanntesten Kletterer der Welt.

Der Blick vom Gipfel des Half Dome überwältigend - leider hatte ich keine Kamera dabei, aber die schönsten Bilder leben in meinem Gehirn weiter. Ein Phänomen meiner Reise ist, dass ich währenddessen ein fotographisches Gedächtnis bekommen habe. Ich kann jeden Moment der Reise wie ein Bild vor meinem inneren Auge sehen. Und darüberhinaus auch immer mehr Dinge, die vor der Reise geschahen. Aber wieviel unserer Gehirnkapazität nutzen wir eigentlich? 4% glaube ich waren es....

Wir blieben für zwei Nächte im Camp4, wobei ich natürlich sehr gerne länge meine Kletterfingerspitzen aufgestellt hätte. Mit Wehmut radelten wir aus dem Tal und kamen in das Obstanbaugebiet Kaliforniens. Kilometerlange Walnuss, Mandel, Pfirsich und Weintraubenplantagen. Wo sollen wir da zelten? Wir fragten an einem Haus und wurden von Dave in sein Haus eingeladen, der uns zu seiner Geburtstagsparty einlud. (Kuchen !) Danach bekam Martin endlich eine Wurzelbehandlung und die Zahnquälerei hatte letztlich ein Ende (für schlappe 770 US$, 1h Behandlung). Von dort waren es nur noch zwei Tage bis San Francisco, wo wir letztendlich gar keine flowers in unser hair geputtet haben. Dort sind wir glücklicherweise im City Zen Center bei Chris (mein Freund aus Montana) untergekommen, wo wir auf der Dachterasse bei herrlichem Blick über die Stadt schlafen durften. Wir erkundeten zu Fuss die Downtown und begegneten nur noch wenigen Hippies, welche die Stadt so berühmt gemacht hatten. Mit der Fähre via Alcatraz setzen wir nach Larkspur über. Dort befindet sich St.Quentin, wo all die bösen Buben aus den USA im Hochsicherheitsgebäude vor uns geschützt waren. Von dort aus sind wir dann über die Golden Gate zurückgeradelt - muss man ja wohl wenn man schon mal da ist. Frühmorgens war ich wieder mit den Mönchen und Schülern beim Meditieren, während Martin ausschlief. Von SF aus radelten wir auf dem famosen Highway No. 1 entlang der bezaubernden Küste und mussten einen Abstechern wegen Strassenreparaturen machen. So überquerten wir den San Andreas Graben und sahen doch noch ein bisschen der Redwoods, die wir eigentlich schon abgeschrieben hatten. Zwei Tage später landeten wir beim Bruder von Chris in Monterey.

Aaron arbeitete im Monterey Bay Aquarium und so schleuste er uns gratis in die herrlich interessante Anlage hinein. Ein modernes Aquarium, das direkt mit dem Ozean arbeitet, Bestände kontrolliert und sich sehr um den Schutz der Natur bemüht. In Monterey befindet sich auch der berühmte Pebble Beach, besonders den Golfern bekannt. Meiner Meinung nach ein supersnobbiges Privatgebiet voller bonziger Riesenvillen mit schöner Bauernmalerei auf den Selbstschussanlagen. Abgesehen davon war der Strand allerdings wirklich sehr schön, weshalb ja auch nur die Reichen und Schönen dort eingezäunt leben dürfen. Wir sahen zahlreiche Seelöwen, Fischotte und Seehunde in der Region um Monterey.

Wir radelten weiter entlang an der immer hügeligeren Küste, vorbei an Big Sur, wo wir aber aufgrund unverschämter Lebensmittelpreise gar nicht stoppten. In Malibu wurden wir von einem älteren Herren in die Paradise Cove eingeladen, DEM Vorzeigestrand Californiens an dem Hollywood ein staendiger Gast ist. Serien wie Baywatch und Filme wie Apollo 13 wurden und werden hier gedreht. Wir konnten das Haus von Barbara Streisand, Axel Rose und weiteren Promis sehen und unser Gastgeber war ebenfalls kein unbekannter, einer der Köpfe der NASA (wir haben einige Photos gesehen).

In Los Angeles erinnerten wir uns einer Adresse, die uns ein Mann zugesteckt hatte als wir einige Wochen zuvor in einem Dorf unter einer Strassenlaterne kochten. Was wir nicht wussten war, dass dieser ein drei Millionen Dollar Haus in Ranchos Palos Verdes besitzt. Wir kamen uns wieder einmal vor wie in einem Film - marmorierte Garagen, vergoldete Wasserhähne, Swimmingpool mit Wasserfall, Blick auf´s Meer usw. Hatten wir doch die Nacht zuvor noch mit Obdachlosen unter einem Baum genächtigt.

Wir campierten wild (verbotenerweise) eine Nacht in LA nahe des Strandes und verbrachten anschliessend einige Tage mit meinem Freund Steve von Boreal in San Clemente. Wir hatten inzwischen 8200 km geradelt und uns blieben nur noch 19 Tage bis zum Verlassen der USA, dem Land der "K-narrenfreiheit", was die zahlreichen von Kugeln durchschossenen Strassenschilder bezeugen. Da wir nahezu ausschliesslich zelten und selbst kochen, beschränken sich die Lebenskosten auf ein absolutes Minimum. Am billigsten waren doch die USA, da wir im Abfalleiner der Supermärkte genügend gutes Essen fanden. Keiner kann sich vorstellen, wie viel Lebensmittel täglich weggeworfen werden, die trotzdem gut sind. Um billig zu reisen, arbeiten wir auch von Zeit zu Zeit, je nach Angebot. Unsere Duschen und Bäder sind meist Flüsse und Seen (biologische Seife logischerweise) Wir sehen täglich schon genug Müll und Dreck, den viele einfach achtlos aus dem Fenster werfen.

Die Reise hat eine gewisse Routine - ein Leben auf dem Rad. Tägliche Dinge sind u.a. Essen und Wasser suchen, Zeltplatz suchen, Zelt aufbauen, Bike abladen, auspacken, Essen zubereiten, spülen, stretchen, Streckenplanung, Tagebuch schreiben, Körperpflege.... und am Morgen rückwärts das Gleiche. Und nach einem langen Radeltag ist eigentlich schon genug ausgepowert..

Mexiko (Dez 98 - Mai 99)

Nach einer schönen Zeit entlang der Küste Californiens hatten wir schnell die USA durchradelt und die Grenze von San Diego nach Tijuana überquert. Dort verschaffte uns ein freundlicher Typ ein "billiges" Hotel, da ein mit uns reisender Radler nicht irgendwo campen wollte. Er führte uns durch schmale Gassen und Strassen, die von diesen dort typischen Ramschläden alias Touristenfallen nur so überquollen. Es war faszinierend, einfach eine Grenze zu überqueren und damit von einem Moment auf den anderen in eine völlig andere Welt einzutauchen. An jeder Ecke neue Gerüche, komplett anderer Strassenverkehr (der sichtlich keinerlei Regeln bedarf), andere Menschen, Farben, Lebensmittel - einfach eine völlig ungewohnte Atmosphäre. Nach einer Weile erreichten wir das "Hotel" und wuchteten die schweren Räder über die Treppen in den ersten Stock hinauf. Die Absteige lag wohl im schlechtesten Stadtteil (falls es in Tijunana überhaupt bessere geben sollte) und war ziemlich heruntergekommen. Laut, modrig, schmutzigst und zur Begrüssung Prostituierte vom Nebenzimmer ihren fetten Körper an, lächelte mit ihren goldgefassten Frontzähnen und fasste gleich jeden von uns am Arm. Wir lehnten dann doch dankend ab und genehmigten uns ein Essen. Während wir unseren Burrito vertilgten, strich sich unser Hotelführer mit der Hand durch sein Gesicht und riss sich einen riesigen Pickel auf, dass der Eiter über seine Finger auf den Zimmerfussboden triefte (dort, wo ich meine Matratze ausrollen musste). Wie ein Film.

An nächsten Tag verliessen wir schnell die hässliche Grenzstadt und campierten an einem Kliff vor dem Meer nahe Rosarito im Regen. Dort brach meine Zeltstange und wir hatten zum Glück gutes Wetter für die nächsten Nächte. Der Highway No. 1 war wegen des heftigen Verkehrs und der fehlenden Ausbildung Mexikanischer Wagenlenker etwas gefährlich zum Radeln, was die vielen Kreuze und Autowracks bestätigten. Mal davon abgesehen, dass viele betrunken hinter dem Steuer sitzen. An einem Grabstein in einer Kurve hielt ich aus einem mir unerklärlichem Grund und ging zu diesem hinunter. Auf dem Stein war das Photo eines japanischen Radlers, der wie wir aufgepackt ebenfalls versuchte die Welt mit dem Rad zu umrunden. Er wurde hier in der Kurver von einem Laster überfahren. Starker Tobak. Ich zündete ein Räucherstäbchen für dem Kollegen an und wir setzten die Fahrt mit mulmigem Gefuehl fort. In Enzenada trafen wir Michelle aus Kanada an einer Fish-Taco Bude. Sie entschloss sich dazu etwas mit uns zu radeln, da ihr Mexico alleinreisend ein unsicheres Gefühl gegeben hatte. Kurz nach der grossen Stadt zelteten wir zusammen zwischen den Sanddünen am Meer und waren schockiert von den Unmengen Abfall. Aber es sollte noch schlimmer werden.

In Ejido Uruapan enstschlossen wir uns für einen Campingplatz, da dieser mit heissen Quellen und einer Klettermöglichkeit lockte. Den nächsten Tag machten wir uns auf zu den "Aguas Calientes" und kamen an eine kleine Hütte, vor dem einige Frauen ihre Wäsche in Steintrögen rubbelten. Anstelle der Yellowstone ähnlichen Naturbecken, welche unserer Phantasie vorschwebten, wurden wir nach der Frage über den Verbleib der besagten Quellen eines der Abteile geführt. Dort waren ein paar alte Badewannen aufgestellt. Der Besitzer der "Anlage" wies uns eine Wanne zu, reinigte diese mit Scheuermittel und Besen und drückte mir eine Plastikfolie sowie ein Stück Schlauch eines Autokühlers in die Hand. Damit konnte ich das Rohr verschliessen, durch welches das Quellwasser aus der Wand in die Wanne schoss. Das Bad war angenehm warm, es spielte mexic. Musik im Hintergrund und die mit Tennisschuhen vollgeladene Waschmaschine ratterte vor der Türe. Und wie in Mexiko üblich, floss das das ganze ungeklärte Abwasser (Seife, Waschpulver, Tenside....) direkt in den Fluss.

Nachdem wir noch etwas zusammen geklettert waren trennte ich mich endlich von Martin (der seine Mutter in Cancun treffen wollte und kurz darauf nach Deutschland zurückkehrte). So radelte ich mit Michelle weiter entlang der Baja California. Wir verliessen die Hauptsrasse bei Santo Tomas in Richtung Küste auf einer ruhigen und steilen Staubpiste, um die kleinen Fischerdörfer zu erkunden, die auf meiner Karte verzeichnet waren. Die Straße war im schlechtesten Zustand und bot ständigen Wechsel - riesige Pfützen, Flussdurchquerungen, Holpersteine, Sand in dem wir steckenblieben und dazu ein ständiges auf und ab. Die Strecke war wirklich anspruchsvoll und verlangte dem Rad und uns einiges ab. Wir erreichten die Küste und hatten einen wunderschönen Blick auf die zurückliegende Bergkette. Fünf weitere Tage kämpften wir uns entlang des Ozeans durch die Wüste und waren nicht erstaunt, dass hier keine Autos fahren. Aber wie immer sind die Wege jenseits Touristenstrecke die lohnenden, wo man noch unberührte Flecken und aufgeschlossene Einheimische finden kann. Froh waren wir über meinen Wasserfilter, denn einzig eine Pfütze versorgte uns mit dem lebensnotwendigen Nass.

In El Rosario kamen wir zurück auf geteerten Untergrund und schwitzten in der glühenden Sonne der Wüste entlang der nicht enden wollende Strasse mit ständig wiederkehrenden Hügeln. Die Baja California sei angeblich die schönste Wüste der Welt, wie ein anderer Radler uns berichtete - was wir wirklich nur bestätigen können. Die Kakteen wurden immer grösser (wie ausgewachsene Eichen) sowie vielfältiger, bis hin zu einem undurchdringlichen Kakteenwald - einer grünen Wüste. Diese verwandelte sich kurz eine kleine Oase, als in Cataviña Palmen an der Wasserquelle wuchsen. Kurz nach diesem Ort bekam die Wüste ein neues Gesicht, als die ganze Landschaft von riesigen Granitkugeln durchzogen war, die wie eingeschlagene Meteoriten zwischen denen Kakteen lagen und dadurch ein surreales Bild schufen. Wo kamen die eigentlich her und wie dorthin? Wir campierten 5 Nächte hinter dieser natürlichen Stachelfestung, hatten klarste Nächte mit spektakulärem Sternenhimmel in der fast unheimlichen Stille der Wüste. Michelle nahm den Buss von Guerrero Negro aus zurück nach Kanada um dort Weihnachten mit ihrer Familie zu verbringen und ich radelte weiter in Richtung Santa Rosalia, wo ich mit der Fähre übersetzen wollte. Ich genoss es richtig einmal völlig alleine zu sein und störte mich nur an der unglaublichen Umweltverschmutzung (Ölfilter, Plastikmüll, Dosen, Reifen....alles Erdenkliche - man kann es sich nicht vorstellen). Um in Mexiko für ein paar Minuten keinen Abfall zu sehen, muss man die Augen schliessen oder in den Himmel sehen.

Ich zeltete vor dem Vulkan Las Tres Virgenes, der im Abendlicht unheimlich toll rot leuchtete und sank bei jedem Schritt tief in das luftige Gestein ein. Da die Fähre in Rosalia leider ausgebucht war, die nächste erst in einer Woche ging und ich nicht so lange warten wollte, entschloss ich mich nach La Paz weiterzuradeln. Ich erreichte die Oase Mulegé und verbrachte heilig Abend auf einem RV-Camp mit Travelern aus aller Welt unter den Palmen - ohne Schnee und mit Sternwerfern an den Kokosnüssen.

Ein paar Kilometer weiter zeltete ich an der Baja Conception, deren Strände mit ihrem tiefblauen Wasser die Südseeträume in mir weckten. Eine Gruppe von drei Kanadiern gesellte sich zu mir und wir hatten so viel Spass zusammen, dass wir uns nicht trennen wollten. Wir verstanden uns sofort wie alte Freunde und da sie nur eine Woche Zeit hatten, enschloss ich mich mit Ihnen zu reisen. Wir luden das Bike in den Truck und düsten zusammen nach Todos Santos in den Süden. Dort hatte das Meer angenehme Badetemperatur, war ideal zum Bodysurfen und wir konnten sogar Wale vom Strand aus beobachten. Wir verbrachten einen Abend vor dem berühmten Hotel California (aus dem Song!) und zurück in La Paz nahm ich die Fähre nach Mazatlán. Das 1970 in Deutschland erbaute Fährschiff erreichte Mazatlan am frühen Morgen und eigentlich wollte ich sofort weiterradeln, aber ein kanadisches Ehepaar bot mir an bei ihnen zu wohnen. Ich liess mich überreden und blieb dann für eine Woche um e-mails zu schreiben und zu arbeiten. So lernte ich die Stadt kennen und fand etwas Arbeit als Koch.

Ich kochte Kässpätzle in einem Restaurant und traf Sandro, einen Norweger, der sich in einer Hütte auf der gegenüberliegenden Insel bei den Fischern aufhielt. Deshalb siedelte ich auf die Isla de la Piedras über, eine wunderschöne Landzunge mit 100 Km einsamen Palmenstrand, wo ich ungefähr 10 Tage mit Freunden aus aller Welt in dieser besagten Palmhütte (Palapa) lebte.

Wir halfen dem Mexikanischen Fischer beim Netzfischen (stundenlangers Einholen des Netzes - harte körperliche Arbeit) und ich lernte viel über den Fischfang, die hier vorkommenden Fische und deren Zubereitung. Das schöne an diesem Ort war, nahe an einer Grosstadt zu sein und dennoch davon völlig separiert, da man nur mit einer kleinen Fähre übersetzen konnte (und die nur am Tag funktionierte). Von einem kleinen Hügel aus blickten Sandro und ich auf zwei Welten herab - zu einer Seite lag die Stadt mit all ihren Lichtern, Verkehr, Lärm und Dunst und zur anderen Seite lag unser kleines Naturparadies mit vereinzelten Stohhütten, getrennt durch die Meeresbucht. Wir bekamen täglich mehr als genügend Fisch und ernährten uns dadurch sehr gesund von den verschiedensten Arten. Jeden Tag fanden sich neue Reisende aus aller Welt ein, wie z.B Max, der mit seinem Kanu von Kanada aus die Küste entlang gepaddelt war

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Nach 10 Tagen Fischfrühstück, Fischmittagessen und Fischabendessen setzte ich meine Reise fort und radelte 30 Km durch die grüne Landzunge vorbei an Palmenwäldern und Plantagen. Zu schnell war ich wieder auf einem Highway (No.15), wo ich von grossen Trucks, Bussen und Wohnmobilen begrüsst wurde. Wie schön war es doch auf der Insel gewesen. Um den Tag dann noch perfect abzuschliessen, verlor ich auch noch eine Kontaktlinse - ein teurer Spass. Unzählige gefährliche Überholmanöver später fand ich eine Autobahn, die gerade im Bau war und mich für 35 Km ohne jeglichen Verkehr durch die Botanik führte. Da ich zurück auf der Höllenstrecke mehrmals um Haaresbreite überfahren wurde (Radler werden noch weniger respektiert als Hunde), enschloss ich mich einen Umweg über die Küste zu versuchen. Die Strasse nach Tuxpan war ruhiger und ich genoss die Fahrt durch die ländliche Gegend vorbei an Tabac, Bohnen und Maisfeldern. In Santiago Ixcuintla wurde noch an einer grossen Brücke gebaut und so musste ich den riesigen Fluss über eine schmale und wackelige Holzkonstruktion im pfahlbautenstil überqueren, die von den Anwohnern gebastelt wurde (2 Pesos Gebühr). Es herrschte reger Gegenverkehr (es war eh schon so viel Platz!) und ein anderer Radler touchierte eine meiner Taschen und fiel daraufhin in den kaffeemitmilchbraunen Fluss. Glücklicherweise verfing sich sein Bike aber an einem der Holzpfeiler und der Bursche kletterte unversehrt aber nass zurück. Ich stellte mir vor, wie ich mit meinen 70kg schweren Gefährt in dem tiefen Wasser wohl ausgesehen hätte! Ende der Reise.

Dann war ich endlich wieder an der Küste, wo das heisse und feuchte Klima die Lanschaft in einen dichten Dschungel verwandelte. Dort gedeihten Bananen, Papayas, Mangos und viele andere Früchte. In den kleinen und braunen Bächen, Sümpfen, und Seen sah ich Schildkröten, Leguane und Schlangen sich tummeln, die leider ebenso plattgefahren auf der Strasse lagen. Drei Mexikaner vertilgten am Strassenrand einen Fisch und riefen mich azu sich. Ich bekam ein Bier in die Hand gedrückt und auch von ihrem leckeren Fisch zu essen. Einer der drei öffnete pötzlich den Reissverschluss seiner Jeans und begann darin rumzufingern. Was kommt jetzte dachte ich bei mir. Auf einmal zog er einen kleinen Plastikbeutel mit weissen Pulver aus seiner Unterhose. Kokain. Er bot mir davon an und ich erklärte ihm, dass mir das Bier schon zu viel sei. Ich müsse ja noch radeln hielt ich entgegen. Vollgepumpt mit Bier und Kokain setzte das Trio dann die Fahrt in dem grossen LKW fort. Kein Wunder, weshalb die Strassen in Mexiko mit Kreuzen nur so gepflastert sind. Dann traf ich auf Pepe, einem mex. Autowäscher, der ebenfalls mit einem etwas bepackten Rad unterwegs war und sich mir für drei Tage anschloss. In Sayulita wurden wir im RV-Park von einem Paar aus Kanada eingeladen. Wir hatten einen schönen Badetag am Meer, wo ich mir bei Zugluft am Strand schlafend eine schmerzhafte Ohreninfektion einfing.

Kurz vor Puerto Vallarta radelte ich ins Landesinnere in Richtung Ameca und wurde von einer mex. Familie in einem kleinen Dorf eingeladen. Die 6-köpfige Familie lebte von der Erdnussverarbeitung und ich sah alle Arbeitsschritte von der rohen Erdnuss über das Schälen, Sortieren, Rösten bis hin zu gebrannten Erdnüssen. Alles wurde von Hand und mit einfachsten Hilfsmitteln bewerkstelligt. Besonders gefiel mir die Technik, wie Nuss und Schalen getrennt wurden. Man wirft alles zusammen in die Luft und der Wind bläst die Schalen davon. Einfach, nicht? Wir wanderten den Fluss entlang, bei dessen Überquerung man einen Zeitsprung macht (eine Stunde zurück - Mountain/Jalisco Zeit) und nahmen ein Bad in einer heissen Quelle. Zum Abschied bekam ich von von der jüngsten Tochter (3) ihren ersten Schuh als Glücksbringer mit auf die Reise. Hinter Las Palmas begann eine holprige Staubpiste, auf der mich ein VW-Buss mit Rädern auf dem Dach überholte und dann stoppte. Nach kurzem Plausch wurde ich auf ein Frühstück eingeladen, wenn ich in Mascota ankommen würde. Dann brausten sie davon und ich übernachtete fern der Zivilisation im Dschungel. Der nächste Tag gab mir reichlich Pedalarbeit und es ging ausschliesslich bergauf auf der pulverisierten "Strasse" (Terasseria), in dessen aschefeinen Staub ich knöcheltief einsank. Jedes Fahrzeug tauchte die Umgebung und mich in eine fürchterliche Staubwolke und die kurvenreiche Strecke war eine der schlimmsten bisher (Albano war sie ebenfalls geradelt und nannte es Die Hölle von Mascota).

Aber die Anstrengung hat sich doch gelohnt. Als ich durch ein kleines Bergdorf kam, zeltete ich in einer Seitenstrasse neben einem Haus, dessen Besitzer tags drauf erschien und mir anbot in seinem Garten zu campen. Eigentlich wollte ich ja weiter, aber angesichts des Gartens mit all den Bäumen voller Orangen, Grapefruit, Limetten, Limonen, Papayas und Bananen, die Erlaubniss zu essen was ich wolle, entschloss ich mich eine Nacht zu bleiben. Zeit für Reparaturen, baden im nahegelegen Teich und Stretching. wurde zum Abendessen eingeladen. Die Familie mit ihren 7 Kindern lebte ausschliesslich vom Ackerbau - Mais und Kaffee - und ich sah die Verarbeitung von der Maisernte bis hin zu den Tortillas. Es war einfach faszinierend und mehr als interessant. Der Mais wird trocken vom Feld geerntet und komplett verarbeitet - die Reste werden für das Kochfeuer in der kleinen Küchenhütte verwendet. Ich erreichte den höchsten Punkt mit 2400m, hatte einen traumhaften Blick über die grüne Bergkette und war begeistert von der Schönheit, Ruhe und dem Frieden der hier herrschte. Eine kurvenreiche, sehr anspruchsvolle Downhillraserei folgte und ich konnte wenig später in ein grünes kultiviertes Tal blicken. Dorthin brauste ich hinunter und erreichte spätabends Mascota, wo ich nach den Brüdern Luis und Pepe fragte. (Es war zwar nicht die Zeit für das versprochene Frühstueck, aber..)

Luis erschien und verfrachtete mich gleich zu seiner Mutter, in deren Hotel ich gratis einquartiert wurde! Schon nach kurzer Zeit war ich von der Familie wie ein Sohn aufgenommen und es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Ich war so verliebt in die ganze Familie, dass ich für eine ganze Woche blieb und viel von der mex. Kultur gezeigt bekam. Alleine schon täglichen kulinarischen Leckereien - am Sonntag fuhren wir an eine abgelegene Ranch mit feinem Essen unter musikal. Begleitung (Mariachi). Mein Freund Luis betreibt ein Radgeschäft, in dem mein Bike vom Staub befreit, überholt und poliert wurde. Pepe gehört ein Supermarkt (Abarrotes Pepe), in dem ich frei einkaufen sollte (aber nicht tat) denn ich wurde von der Familie schon genug freigehalten - nicht einmal meine Post durfte ich selbst bezahlen!

Ich lernte jeden Tag neue Familienmitglieder kennen und der Abschied war natürlich eine Tragödie. Aber ich musste weiter, da mein Freund Thomas aus meiner Heimat und meine Freunde Brad & Charter schon seit über einer Woche auf mich warteten. In Guadalajara fiel ich dann einem Freund nach dem anderen in die Arme. Dort wurde ich bei der Gastfamilie von Thomas mit untergebracht und verbrachte die Zeit mit Internetarbeit sowie klettern. Das erste ernste Problem mit meinem Rad hatte ich nach exact 11.111km, als die Achse des Freilaufkörpers brach, was aber in Guadalajara behoben werden konnte.

Mexiko Teil 2

Es war einfach schön, wieder einmal einen guten Freund aus der Heimat zu treffen und wir verbrachten einige Zeit zusammen in der grossen Stadt (6 Mill.). Klettern am El Diente, Kino, Fiestas und mehr war unser Programm.

Einen ganzen Monat verbrachte ich in Guadalajara und hatte von der Ankunft unseres Bundespräsidenten Roman Herzog erfahren. Ich schickte ein Fax an sein Hotel und wurde für 8 Uhr dorthin bestellt, wo ich mit Thomas von den Bediensteten, Sicherheitsleuten und Regierungsbeamten umlagert wurde. Dann war es endlich soweit und ich konnte dem Präsi mal persönlich die Hand schütteln, ein wenig plauschen und wurde mit vom Blitzlichtgewitter der Photographen erfasst. Leider habe ich dadurch mein Fernsehinterview verpasst und verliess die versmogte Grosstadt. In einem kleinen Dorf nahe des Sees Lago de Chapala stoppte ich an einem Market, kaufte mir ein paar Zutaten und schmiss meinen Kocher an. Umlagert von einer Horde neugieriger Kinder und den erstaunten Augen des halben Dorfes bereitete ich mir meine Mahlzeit zu und bot Ihnen auch davon an. Nur eine Frau kostete davon, war begeistert und als ich die Kamera zückte war der Zauber leider schnell vorbei. Die meisten Mexikaner sind einfach zu schüchtern. Aber mit dem Weitwinkel bekam ich doch noch ein paar Gesichter nebst den aufgehängten Schweinehälften mit auf's Bild.

Ich überquerte die Staatsgrenze von Jalisco nach Michoacan, vorbei an unzähligen Ziegelbrennereien und Töpfereien, die Waren in rauhen Mengen, allen Farben und Grössen anboten. Die Ziegelherstellung wird mit einfachsten Mitteln wie zu Grossvater's Zeiten betrieben. Nachdem der Lehm aus dem Bach in den Holzformen getrocknet ist, wird ein Meiler aufgeschichtet der mit Erde bedeckt wird. Danach wird ein Holzfeuer in der Mitte entfacht, welches durch die Zugluftkanäle eine wahre Höllenglut entfacht und am nächesten Tag schon sind die roten Ziegel verkaufsfertig. In Michoacan beherrscht die Landwirtschaft das Bild und ich sah viele Bauern das Feld bestellen, ernten oder pflanzen. Ein grünes Bild, dass sich leider auch auf die Flüsse ausdehnt. Eine irsinnige Überdüngung wäscht viel der künstlichen Wachstumsbeschleuniger vom Feld in die Gewässer. Ich stand auf einer Brücke eines breiten Flusses und konnte bis zum Horizont kein Wasser sehen, da dieser komplett zugewuchert war.

Nach 11450 Km brach in Zacapu die erste Speiche und ich war froh um meinen Hypercracker, der mir eine sofortige Reparatur an Ort und Stelle ermöglicht. Nach der langer, trockener Gegend war ich richtig froh am Lago Patzquaro in einem grünen Alfalfafeld, (Klee) campieren zu können. Die beste Torta (ein angerösterter und mit verschiedenen Leckereien belegter Semmel) fand ich dort in Quiroga und verdrückte kiloweise herrliche Mangos, Granadas und Bananen. Die Region am See ist berühmt für seine Holzschnitzer und Steinmetze, die alle 100 Meter ihre Kunstobjekte am Strassenrand zum Verkauf auslegen. Auf dem Weg zu den taraskischen Ruinen von Tzintzuntzan sah ich kaum noch etwas anderes. Da ich am See nicht zum Baden kam und dies aber dringend nötig hatte, radelte ich weiter in Richtung der vulanischen Gerbirgskette. Ein langer Pass verpasste mir bei brenender Sonne ein sprichwörtliches Schweissbad, wobei ich in 4-stündiger Bergfahrt im kleinsten Gang 7 Liter Wasser trank ohne einmal pinkeln zu müssen! Die Natur erinnerte sehr stark an voralpine Gebirgslanschaften mit klarer Luft, herrlichen Nadelwäldern und blühenden Lupinen. Ich überquerte den 3400m hohen Berg, auf dessen Gipfel mir Geothermalkraftwerke entegenfauchten. Es stank ziemlich nach Schwefel und überall waren Warnschilder angebracht, die auf die Verbrühungsgefahr des Wassers und Dampfes hinwiesen. So wurde mir ein Bad im dampfenden See verwehrt und ich raste auf der anderen Seite des Passes wieder hinunter. Ein paar Km weiter verunreinigten einige Mexikaner den Oberlauf eines heissen Flusses mit Tensiden und Phosphaten und ich verzichtete nochmals auf mein Bad. Aber ich erreichte letztendlich die Laguna Larga der Los Azufres, wie die Thermalregion hier genannt wird, und zeltete dort auf dem Campingplatz. Endlich kam ich zu meinem ersehnten Schwefelbad und garte in der eiskalten Nacht im heissen Becken, welches ich für mich allein hatte. Leider fiel mein Besuch dort auf das Wochenende, weshalb die Ruhe etwas von den 5-6 Schulklassen gestört wurde.

Eine rasante Abfahrt in das Tal der Ciudad Hidalgo hatte natürlich wieder einen Pass im Anschluss und ich verzichtete auf einen Abstecher in die Berge, um den Abflug des Schmetterlings Monarch zu verfolgen. Ein alljährliches Spektakel, wenn ganze Wolken der Falter die Höhle verlassen in der sie von Kanada und den USA kommend überwintern. Nach der Gewalttour war ich so hungrig, dass ich in Zitacuaro ein ganzes Brathuhn, drei Semmel und einen süssen Nachtisch in 15 Minuten verdrückte und davon nicht einmal satt wurde. Tags drauf schraubte ich mich erneut auf über 3000m und überquerte die Grenze in den Staat Mexico (nicht das Land !). Einige Kilometer weiter führte eine steile Strasse in das Valle de Bravo hinab und ich brauste in 20 Minuten hinunter, was ich mir in 6 Stunden strampeln an Höhe erarbeitet hatte. Nach einer Nacht direkt am Seeufer zog ich weiter an die Kaskaden im Velo de Novia und entschloss mich direkt am Wasserfall zu übernachten. Ich duschte unter der prasselnden Kaskade in der dschungelartigen Umgebung und riss mir am anderen Tag einen Muskel an, als ich das Rad über ein schmieriges Steilstück hievte und mir der Fuss wegsrutschte. So stattete ich auf Empfehlung eines Wanderers der stadtbekannten Heilerin Doña Augustina einen Besuch ab. Die alte Frau führte mich ins Schlafzimmer der ärmlichen Hütte, welches von religiösen Bildern nur so überquellte und behandelte mich auf ihrem Bett. Ich bekam eine Massage mit Schlangengiftsalbe und wurde geschröpft, was alles mit religiösem Gemurmel verbunden war. Mein Muskel blieb jedoch ziemlich unbeeindruckt von der ganzen Prozedur und ich setzte die Fahrt über den nächsten Pass fort, der wieder aus dem Tal hinausführte. Am Strassenrand wurde ich auf Tacos eingeladen und biss auf einen kleinen Stein, der sich unter die Bohnen gemischt hatte und brach mir den mesiopalatinalen Höcker meines Zahnes 45´ers ab (man merkt ich bin Zahntechniker). Wenigstens bot sich mir ein toller Blick auf den Vulkan Nevado de Toluca und ich fand einen netten Campspot am Bächlein eines Hüttendorfes inmitten grüner Berglandschaft.

Mein Rücken wurde am nächsten Tag noch schlimmer und ich konnte mich für die nächsten Tage nicht mehr aufrichten, was mir die Feinmotorik und das Aussehen des Glöckners von Notre Dame verlieh. Fragt nicht, wie die Leute mich ansahen! Nach Toluca herrschte ein Höllenverkehr und ca. 50m vor mir fiel ein Schubkarren von einem Lastwagen vor mein Rad. Zwei Sekunden früher und er hätte mich erschlagen. Ich kam durch ein kleines Dorf in dem ich auf ein religiöses Fest mit Essen, Musik und Tanz eingeladen wurde. Die Tanzgruppe war in farbenprächtige Gewänder gehüllt, die an die Zeit der Azteken erinnerte und als das Fest vorbei war zog eine kleine Gruppe zur Kirche um dort Raketen in die Luft zu jagen. Ich bekam einen der selbstgebastelten Kracher mit auf den Weg um diesen von meinem Campspot aus zu zünden. Nach einer Nacht in Sturm und Regen erreichte ich Malinalco, wo ich die kleine Pyramidenruine auf der Anhöhe des gleichnahmigen Dorfes besichtigte. Auf der Weiterreise wurde ich von ein paar Bauern auf Pulque eingeladen, ein alkoholisches Getränk welches aus der Maguey (Agave) gegährt wird. Es ist im Geschmack so ähnlich wie Cidre, bzw. Apfelwein.

Ich erreichte das Ende des Gebirgszuges und konnte weit ins Land sehen. Die steil ins Tal hinunterführende Teerstrasse weckte den Eindruck einer im 2. Weltkrieg zerbombten Landebahn. Eine gefährliche Abfahrt die meine ganze Konzentration erforderte um nicht eines der tiefen Löchern zu erwischen. Es ist einfach nicht möglich solch lange Bergstrecken zu bremsen, da die Felgen sonst zu glühen beginnen. Mit jedem Meter wurde es wärmer und am Ende der Talfahrt passierte ich einen Arbeiter, der mit brauner Erde die Löcher der Strasse stopfte. Eine Lebensaufgabe für den armen Kerl dachte ich mir.

Am späten Nachmittag erreichte ich die Ruinen von Xochitalpec, die leider grade zugesperrt wurden. Die dort Angestellten warnten mich davor dort zu übernachten, es sei gefährlich - viele böse Leute würden in der Nacht umherlungern die Alkohol trinken, Drogen nehmen und so weiter. Man fürchte um mein Leben und ich solle doch wieder ins Tal zurückradeln. Ja von wegen, nochmal den Berg rauf und runter. Ich beruhigte die Leute und radelte ein Stück weg von den Ruinen, campte auf einem Feld und hatte eine der ruhigsten Nächte der Reise. Schon zum hundertsten Mal habe ich gerhört: "Hier bei uns wohnen nur gute Leute, aber dort im nächsten Ort ist es gefährlich"... Da die Ruinen am nachsten Tag aber erst um 10 verzichtete ich auf die Tempelanlagen und radelte weiter bis nach Cuernavaca, wo ich mich für eine Nacht in einem "Hotel" einquartierte. Die Unterkünfte im Rotlichtviertel bieten zwar keinen Luxus, aber sind mit Abstand die billigsten. Ich sah mir die tolle, alte Kirche mit den gekreuzten Knochen und Totenschädel über dem Eingang an und fand, dass die Stadt eigentlich recht hübsch war.

Dort konnte ich im Dentallabor von Thomas Graber für ein paar Tage mal wieder meinen Beruf als Zahntechniker ausüben und durfte in seinem alten, leerstehenden Haus verweilen. Dort wollte ich auch meinen Schlafsack wieder einmal waschen und als ich diesen zum Einweichen unter das Wasser drückte, stieg eine grosse Luftblase auf und er platzte. Neiiin. Nicht mein Baby! Daunen zurückstopfen, nähen, Flicken drauf und fertig. Nach 5 Tagen verliess ich die Stadt und kam nach Tepoztlan, das vor Touristen zu platzen schien da gerade "Semana Santa" (Ostern) war. Der Ort liegt malerisch eingebettet in schroffen, grün bewachsenen Felsen und auf einem vom ihnen steht eine Ruine. Ich stellte mein Rad bei einer guatemaltekischen Strassenhändlerin ab und machte mich auf den einstündigen Marsch über den groben mosigen Steinweg, der steil hinaufführte. Es ging dort zu, als ob dies die einzige Ruine Mexikos gewesen wäre. Aber allein des wunderschönen Blickes hinunter ins Tal hat sich der Aufstieg gelohnt.

Von dort aus ging es bis Cuautla fast nur bergab und ich radelte auf meiner ersten "Autopista". Und plötzlich tauchte er vor mir auf. Der Vulkan Popocatepetl erhob sich mit seinen mächtigen 5414m majestätisch aus der Ebene. Auf einem Feld zeltete ich zu Füssen des rauchenen Aschespuckers. Eine wahrhafter Höllenverkehr führte hier in Richtung Mexiko Stadt den ich froh war überlebt zu haben. Eine 10 köpfige Familie war vor ihrem Haus mit der Speiseeisherstellung beschäftigt. Jeder von ihnen rührte mit einem grossen Holzlöffel wild in einem Edelstahlkübel, der in einem Holzbottich voller Eis und Salz steckte. In zweistündiger Rührarbeit fabrizieren sie so ein herrliches Eis und ich durfte von jedem einen Löffel voll testen. Das nenne ich Handarbeit!

Der grosse Vulkan rückte immer näher. Neben dem Popo steht der Iztaccihuatl mit ebenfalls 5266m. Bzw. die Iataccihuatl, was soviel wie "mujer dormienda" (schlafende Frau) bedeutet. Jeder Vuklan hat nämlich eine Frau zur Seite wie man mir sagte. Kurz vor dem letzten Ort bemerkte ich einen kleinen Hund an einem Zaun. Er hatte sich im Draht des Zaunes verfangen und wild darin verknotet. Mit meinem Leatherman schnitt ich das arme Tier frei, welches wohl sonst elendiglich eingegangen wäre. Dann machte ich mich auf um den Paso de Cortez hinter mich zu bringen. Dieser schlängelte sich durch einen immer dichter werdenden Wald. Am Wegesrand brannten einige kleine Lagerfeuer, wo Speis und Trank angeboten wurden. Ein paar Stunden später wurde es dunkel, keine Menschenseele war mehr zu sehen und der Pass wollte kein Ende nehmen. Ich hatte kein Wasser mitgeschleppt, da man mir von einem grossen Fluss am Pass berichtet hatte. So kämpfte ich mich weiter bergauf. Ich hatte diesen Hügel doch etwas unterschätzt und stieg immer öfter mit wakeligen Knien ab. 50 Meter schieben. Pause. 50 Meter treten. Pause. Völlig kraftlos, ohne Wasser und Licht taumelte ich so immer höher und hörte kurz vor Ende des Passes ein leises Plätschern. Überglücklich schob ich das Rad in den Wald und stolperte mit meinem Kanister den Hang hinunter - dem Gluckern entgegen. Wasser! Ein kleines Rinnsal. Das war genau das was ich brauchte - sonst nichts. Ich kochte meine Suppe und hatte eine ruhige, kalte und endlich mückenfreie Nacht auf dem Rücken des Vulkans.

Den Morgen begann ich etwas ruhiger, filterte das restliche Wasser in meine Trinkflaschen und radelte die letzten Meter hinauf. Auf dem Pass oben sah ich dann das die Höhenangabe 3650 m - kein Wunder. Dafür wurde ich mit einem spektakulären Blick auf den Vulkan und seinem schlafenden Weib belohnt zwischen denen der Pass hindurchführt. Vor 480 Jahren überquerte Hernan Cortez diese Stelle mit seinen Mannen um weiter die Azteken und Maya des Goldes wegen abzuschlachten, was die Mexikaner der Spaniern noch immer übelnehmen (was einige Einschusslöcher in der Tafel mit dem Bildniss der Eroberer bezeugen). Der Weg hinauf auf an den Schlund des Vulkans war leider aus Sicherheitsgründen gesperrt (Ausbruch 2 Jahre später in 2001) und so raste ich über die steinige Staubpiste auf der anderen Seite wieder hinunter.

Nach 12250 Kilometern kam ich bei meinem Ex-Nachbarn Bernardo Schäfer in Puebla an, bei dessen Familie ich toll aufgenommen wurde. Dort nahm ich auch allerlei Esatzteile, Post und Schokolade aus der Heimat in Empfang. Gleich am zweiten Tag meiner Ankunft wurde ich für ein Interview in einem lokalen Radiosender eingeladen und plauschte eine halbe Stunde über meine Reise auf Spanisch. Gleich danach ging's zum Fernsehen, deren Aufzeichnung sogar mehrmals wiederholt wurde.

Mexiko Teil 3

Ich hatte doch tatsächlich einen ganzen Monat in Puebla verbracht (auch mit klettern) und nun drängte die Zeit das Land zu verlassen. Meine Aufenthaltsgenehmigung erlaubte mir nur noch einen Monat Aufenthalt und so strampelte ich mächtig in die Pedale (156 km am ersten Tag, 2000 km in 26 Tagen). Der Abschied von Puebla war mir sehr schwer gefallen und ich reiste ein wenig betrübt durch die öde Landschaft, nachdem ich alleine zum Verlassen der Stadt eine geschlagene Stunde brauchte. Die Mexikaner schickten mich immer wieder in verschiedenste Richtungen denn bevor sie zugeben sich nicht auszukennen, denken sie sich lieber irgendetwas aus. Unzählige tote Hunde verwesten entlang der mex. Rennstrecke. Ich verlor immer mehr an Höhe, weshalb die Vegetation ab Tehuacan zunehmend grüner wurde und die Luftfeuchtigkeit böse anstieg. In einem kleinen Dorf fragte ich nach einer Hühnerbraterei und bekam von der Frau einen Topf voll "Mole" geschenkt - eine dunkelrote Brühe aus vier verschiedenen Sorten Chile, Tomaten und Sesam (lecker scharf und stark färbend). Damit verzog ich mich hinter die Büsche und verbrachte eine schwüle Nacht im mückensicheren Zelt. Aber es ging noch weiter bergab und ich passierte weite Felder voller Zuckerrohr und Mango. Vom Himmel regnete es schwarze Ascheflocken die von der grossen Zuckerrohrfabrik stammten, welche Zucker und Schnaps produziert. In die Fabrik führte ein kleiner klarer Bach, der als graphitgraue Brühe wieder rausfloss. Ich hügelte mich weiter durch die Gegend und es begann eine trockenere Wüstenlandschaft, deren steile Felswände mit Kakteen bewuchert waren. Nach zwei Stunden hatte ich diese durchquert und stand auf dem Gipfel des Passes. Auf der einen Seite lag die Wüste zurück und auf der anderen blickte ich in ein sattgrünes Tal voller Mangobäume. Für mehr als 50 Kilometer sah ich nichts anderes mehr als diese Mangos und durch das ganze Tal zog der herrlich süsse Duft der reifen Früchte, die überall am Strassenrand lagen. Obwohl ich die heisse Mittagszeit im Schatten verbrachte lief mir der Schweiss in Strömen aus den Poren und mein Rad glühte ohne direkt in der Sonne zu stehen. Als ich weiterradelte empfand ich den Fahrtwind wie ein Heissluftgebläse, dessen Luftstrom mich mehr erhitzte als kühlte.

Immer wieder erzählten mir Mexikaner von dem hoch in den Bergen gelegenen Ort Huautla, der weltweit bekannt für Ausflüge in die halluzinogene Welt der mexikanischen Pilzwelt sei und zu dessen berühmtesten Besuchern Stars wie Jimi Hendrix oder John Lennon zählen. Ich hatte jedenfalls keinerlei Lust noch einen Berg mehr zu erradeln und musste schon einen durchaus deftigen vor mir bezwingen. Die "Carretera Federal" nach Oaxaca war zwar länger und anstrengender als die "Autopista", dafür aber viel ruhiger und interessanter. Der kleine Hügel vor mir hatte eine Länge von schlappen 48 km bergauf und ich quälte mich für mehr als 5 Stunden bei prallem Sonnenschein hoch. Immer wieder gehe ich bei diesen Plagereien geistig meine Packtaschen durch und beschliesse, das ein oder andere Teil endgültig auszusortieren, was dann letztendlich doch nie passiert. Dort zirpten laut Grillen die mit einem Ton starteten, der an einen Rasenmäher erinnerte und in einem schrillem Ton endete, welcher wie hochfrisierte Mofas aus Italien klang.

Beim Zähneputzen mit Zahnseide brach mir ein Inlay aus, aber als alter Zahntechniker war ich auf dies vorbereitet und setzte das Teil wieder mit Zement ein.. Oaxaca passierte ich im Eilzugtempo und weil es gerade so gut lief, schoss ich aus versehen an Thule vorbei ohne den grössten Baum der Welt gesehen zu haben. Schade. In Matatlan werben Schilder für Mescal, 100% rein aus Agave - der ganzen Ort bestand aus Schnapsbrennereien. Ich fand eine geöffene Distillerie die ich besichtigen konnte und den ganzen Ablauf von der Ernte an erklärt bekam und sah. Alles wurde von Hand verarbeitet und mit einfachsten Hilfsmitteln und Konstruktionen verarbeitet. Natürlich musste ich von dem fertigen "Aguardiente" (Schnaps) kosten und hätte zu gerne eine Flasche davon mitgenommen. Ich hatte eine lange Talfahrt vor mir wobei ich des starken Gegenwindes wegen bergab ins Pedal treten (einmal sogar schieben) musste. Die Strecke verlief weiter durch eine nicht enden wollende Bergkette. Ich hatte mein einjähriges Reisejubiläum, bekam dafür blühende Kakteen zu Gesicht und gleich darauf ein "Rindermassengrab" am Strassenrand (vermutlich ein verunglückter Transporter). Doch die Bergwelt hatte tatsächlich mal ein Ende und ich erreichte das auf Meereshöhe liegende Tehuantepec, wo ich mich auf die Suche nach den mir empfohlenen "Tamales de Iguana" machte. Tamales sind eine in Maisblätter eingewickelte und gekochte Maismasse - eines der billigsten Gerichte Mexicos. Üblich sind Tamales mit Schweine oder Rindfleisch, vegetarisch sowie süss oder pikant. Aber eben speziell in dieser Region des Staates Oaxaca gibt es die Dinger auch mit Leguanfleisch, welches sehr lecker sein soll. Irgendwie war mir das Glück nicht hold und ich konnte keinen der "Leguanburger" kosten. Ich zeltete in der feuchtheissen Küstenregion unter Palmen, geplagt von Moskitos und lauschte dem Gesang eines Vogels, dessen Laute sich exact wie die von R2-D2 aus der Star Wars Trilogie anhörten. Die nächste Nacht verbrachte ich unter den Bäumen einer Mangoplantage und war fasziniert von den grossen Glühwürmchen, die zu tausenden wild umherblinkten. Fast wie in Las Vegas. Ein 30 km Berg war am nächsten Tag mein Frühstück und auf halber Höhe hatte jemand Fleischabfälle in die Landschaft gekippt, was eine Vielzahl von Aasgeiern angelockt hatte. Leider war nicht alles rein biologisch und so schweelten wie so oft Plastikabfälle mit übelst beissendem Rauch vor sich hin um mir dem Atem zu nehmen. Ich erreichte die Staatsgrenze nach Chiapas und die saftig grünen Hügel mit herausspitzelnden Felsen erinnerten mich an das alte Computeradventure "Mask of the sun", weshalb ich mich gleich richtig im Land der Maya fühlte.

Nach einer Nacht auf einer Wiese musste ich gleich fünf Löcher in meinem Schlauch flicken und wurde dafür von einem Fahrradladenbesitzer in Ocozocuautla mit neuen Flicken beschenkt, der mich dazu noch in sein Haus einlud. Ein original "Borracho" (Alkoholiker) war seit über einer Woche am Saufen und fühlte sich sterbenselend. Deshalb schickte er jemanden los um eine Infusion zu besorgen da er um sein Leben bangte. Nach einer halben Stunde gestochere in seinem dicken Arm war endlich eine Vene gefunden und der Bär von einem Kerl schlummerte schwitzend auf dem Sofa seine Alkoholvergiftung aus. Und seit 6 Tagen schon bescherte er seinen Freunden dieses allabendliche Spektakel. Irgendwie hatte ich das Gefühl in Chiapas die meisten Alkoholiker getroffen zu haben und kam Tags drauf an einem gestürzten bewusstlosen Fahrradfahrer vorbei, dessen Alkoholfahne auch nicht von schlechten Eltern war (wenigstens war er dadurch schmerzfrei). Ein langer Pass führte von Tuxtla nach San Cristobal de Las Casas und ich schwitzte einen ganzen Tag die 58 Kilometer bergauf. Ich kam an einem kleinen Dorf vorbei und war begeistert von den farbenprächtigen traditonellen Gewändern der Bewohner. Nahezu alle waren in diese herrlichen Trachten gekleidet und die Frauen hatten zusätzlich farbige Bänder in ihre langen, schwarzen Haare geflochten. Ich beobachtete zwei kleine Kinder, die sich eine grosse Ladung Brennholz mit einer Stirnschlaufe auf den Rücken gehängt hatten und sich schnaubend auf den Weg nach Hause machten. In Lateinamerika ist Kinderarbeit Alltag und auch in den Supermärkten der Städte anzutreffen, wo Kinder ab 5 Jahren an der Kasse Waren in Plastiktüten packen.

Je höher ich kam, desto milder wurde das Klima und die tropische Vegetation wurde durch grüne Graswiesen und Nadelwälder abgelöst. Hier sah es aus wie im Allgäu. Endlich konnte ich wieder einer angenehm kühlen Nacht entgegensehen und zeltete versteckt im Wald. So fühlte ich mich zu sicher, hatte nicht alles im Zelt verstaut und wurde nach über einem Jahr endlich einmal beklaut. Meine schöne Spezialradlerbrille und die treue Baseballmütze waren weg. Dann radelte ich in San Cristobal ein. Vor 12 Jahren radelte bei dem Radiosender der Schwabe Walter Stolte vorbei, der damals von Alaska nach Tierra del Fuego unterwegs gewesen war. Die Stadt liegt in einem kleinen Talkessel umgeben von grünen Wäldern und ist ein wirklich schöner Fleck mit tollen, alten Gebäuden, Kirchen und einer sehenswerten Tropfsteinhöhle. Auf dem weiteren Weg wurde ich von 6 Hunden angegriffen, die ich allerdings schnell steinewerfend in die Flucht schlug. Dies funktionierte bisher immer sehr gut und normalerweise reicht e schon die Bewegung der Hand in Richtung Boden aus, um einen Hund in Mexico einzuschüchtern.

Da ich zur einsetzenden Regenzeit unterwegs war, blieb auch ich nicht verschont und wartete für zwei Stunden unter einem Dach auf das Ende der sintfutartigen Wassermassen (stark aber darür kurz). Eine märchenhafte Stimmung mit kleinen Nebelfeldern, die wie Watte über den grünen Hügeln des dichten Urwaldes lagen war entstanden. Ein Lehrer lud mich zum Schlafen ins Schulgebäudem ein, was mir das Zelten auf dem matschigen Gelände ersparte. Er hatte eine riesige, fingerdicke Ameise gefangen und erklärte mir, dass diese eine Delikatesse sei die ich unbedingt kosten müsse. Bevor ich etwas dagegen sagen konnte hatte er das Insekt schon in der Pfanne und ich bekam eine geröstete und gesalzene Ameise serviert. Da mein Gastgeber schon etwas angertunken war, war die Ameise wohl etwas zu durchgebraten und ausser der Chininhülle nichts geblieben. Die berühmten Kaskaden von Agua Azul waren leider durch den Regen des Vortages nicht azul (blau), sondern erdfarben und hatten deshalb nichts mit all den Postkartenbidern gemein, was mich aber nicht von einem Bad abhielt. Weiter in Richtung Süden kam ich an zahlreichen betrunkenen Bauern vorbei, die mir unverständlich zulallten oder in Schlangenlinien über die Strasse stolperten. Einer sogar stand onanierend am Strassenrand. Na, wollen wir mal hoffen, dass die Nacht ruhig bleibt. Das einzige Problem war aber ein heftiges Gewitter, was meine Kuhweide in eine tiefe Matsche verwandelte.

Die Vegetation wechstelte auf Dschungel und ich erreichte Palenque, wo ich nur noch eine knappe Stunde für die Besichtigung der riesigen Ruinen hatte. Die Mayastätte liegt toll in grünem Dickicht eingebettet und man kann von den hohen Pyramiden eine weite Sicht auf die Dschungelebene in Richtung Guatemala geniessen. Die 690 n. Chr. Erbauten Tempel waren heilige Gebäude, welche die Verbindung von Himmel und Unterwelt herstellen, zwischen denen die Erde schwimmt - so dachten jedenfalls die Maya (dreigeteilter Kosmos). Die Maya waren nicht nur hervorragende Architekten, sondern auch brilliante Astronomen und entwickelten den genauesten Kalender der Menschheitsgeschichte. Eine bemerkenswerte Kultur, deren Existenz leider von den über das Land hergefallenen Spaniern beendet wurde. Ich traf auf eine Gruppe Deutscher Touristen und hatte so Gelegenheit mein Filmmaterial sicher nach Deutschland bringen zu lassen. Weiter radelte ich in Richtung Chancala, wo ich entlang der Strasse sehr über die kristallklaren Bäche erstaunt war (eher eine Seltenheit in Mexiko). Ich beschloss direkt in einem kleinen Dorf zu übernachten und man führte mich an einen malerischen Platz am Fluss, in dem ich ein erfrischendes Bad nehmen konnte. Wie üblich, wenn ich in Dörfern campiere, fand sich auch diesmal der halbe Ort ein um den "Ausserirdischen" bei all seinen Tätigkeiten zu beobachten. Jeder meiner Schritte wurde genauestens überwacht, ich wurde viel befragt und die Höhepunkte sind meist der Aufbau des Zeltes sowie der fauchende Kocher. Die Kinder sind besonders angetan von meiner blonden Behaarung und hin und wieder zupft eines von ihnen frech an meinen Beinen. Erst wenn ich zu Bett gehe, bin ich wieder für mich allein und zum Frühstück stehen schon wieder alle vor dem Zelt. Ich fühlte mich wie ein Ersatzfernseher.

Irgendwie hatte ich mir einen Erreger eingefangen und musste mich in der Nacht mehrmals übergeben, was mir am nächsten Tag meine ganze Kraft raubte. Schlaff und mit einem üblen Gefühl im Magen zwang ich mich trotzdem auf mein Rad. Jeder kleine Hügel wurde zu einem Berg. An der Kreuzung nach Bonampak wurde ich von drei echten Mayas zum campen auf ihren Grund eingeladen und war von den langhaarigen Indios in den wallenden, weißen und rockähnlichen Gewändern richtig beeindruckt. Sie betreiben ein Ökoinstitut und bemühen sich ihre Kultur und Umwelt zu erhalten. Wenigstens gibt es ein paar wenige Mexikaner, die anderst denken. Oder wer sind eigentlich die Mexikaner - die Indios oder die Spanischen Nachkommen? Ich radelte den Feldweg durch dichten Urwald an die Ruinen von Bonampak, welche mich vor allem mit den drei Zimmern voller farbiger Malereien begeisterte. Im ersten Raum wird das Volk und Heer des Herrschers vorgestellt, im nächsten ein siegreicher Feldzug und im letzten die Folter (z.B. ziehen von Fingernägeln) und schlussendliche die Opferung der Gefangenen gezeigt. Auch sind einige Steintafeln mit filigranen Arbeiten in hervorragender Qualität erhalten, von denen eine gute drei Meter hoch ist. An der Grenze von Mexiko mit Guatemala verbrachte die letzte Nacht in dem Ort Cruzero Corozal und badete zusammen mit einem Mexikaner im Grenzfluss. Er erzählte mir von der Guerillazeit auf der anderen Seite. "Täglich trieben Leichen den braunen Fluss hinab - Männer, Frauen und Kinder" meinte er mit ernster Mine. Ich setzte am nächstenTag dort mit einem kleinen Fährboot über. Was mich dort drüben wohl erwarten würde fragte ich mich...

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